Wenn Rote rechnen Österreichische Genossen wählen ihren Vorsitzenden

Ein Gastbeitrag von Claudio Casula

Was ist der Unterschied zwischen dem deutschen Freidemokraten Thomas Kemmerich und dem österreichischen Sozialdemokraten Hans Peter Doskozil? Kemmerich wurde zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt und durfte es dann nicht sein, weil die Kanzlerin die Wahl rückgängig machen ließ. Doskozil wurde von seiner Partei auf den Schild gehoben, aber irgendwie doch nicht, jedenfalls stellte sich zwei Tage später heraus, dass gar nicht er, sondern sein Konkurrent Andreas Babler knapp die Nase vorn gehabt hatte und dass der vermeintliche Sieg nunmehr als Niederlage gilt.

Und das kam so: Nach innerparteilichen Kämpfen, einer Mitgliederbefragung und dem folgenden politischen Aus von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner im Mai kam es auf dem Parteitag der SPÖ am 3. Juni zum Showdown: Der burgenländische Landeshauptmann Doskozil (entspricht etwa dem Amt eines deutschen Ministerpräsidenten), Ex-Verteidigungsminister mit eigenem Kopf, der keineswegs immer auf Parteilinie ist, etwa in der Migrationsfrage als „Populist“ gilt und wohl auch wegen seiner Koalition (2015–2020) mit der FPÖ, Österreichs Schwefelpartei, wie es so unschön heißt, eher „rechts verortet“ wird, trat gegen den Traiskirchener Bürgermeister Babler an, einen ausgewiesenen Linksausleger.

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Es ging also bei der Wahl des neuen Parteichefs nicht nur darum, wer die SPÖ als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl spätestens im nächsten Jahr führt, sondern auch um eine Richtungsentscheidung: eher nach links mit Babler oder nach mitte-rechts mit Doskozil? Es wurde recht knapp, dann das Ergebnis verkündet: Hans-Peter Doskozil wurde auf dem Sonderparteitag in Linz mit 53 Prozent der Stimmen vermeintlich zum neuen SPÖ-Vorsitzenden gewählt, Andreas Babler unterlag mit angeblich 46,8 Prozent.

Excel ist nicht jedermanns Sache

Oder auch nicht. Die 19-köpfige parteiinterne Wahlkommission unter dem Vorsitz von Michaela Grubesa hatte die auf dem Parteitag abgegebenen Stimmen ausgezählt und dann die Wahl Doskozils deklariert, als sich wegen einer Unstimmigkeit (es ging um eine fehlende Stimme) zwei Tage später herausstellte, dass bei der Übertragung in eine Excel-Tabelle ein Fehler passiert war, die Ergebnisse von Babler und Doskozil waren vertauscht worden und Frau Grubesa musste in einer eilig einberufenen Pressekonferenz mitteilen, dass ein „technischer Fehler“ – Excel ist nicht jedermanns Sache – passiert sei („Die Stimmzettel haben leider nicht mit dem digital verkündeten Ergebnis zusammengepasst“) und nun doch der Herr Babler den Hut auf hat.

Wenn 19 Personen 602 Stimmen auszählen und nicht merken, dass sie den – Stand heute – Falschen zum Sieger ausrufen, bist du bei den Sozialdemokraten. Die also ein ähnlich klägliches Bild abgeben wie ihre deutschen Genossen. Der Herr Babler konnte sich auch gar nicht richtig freuen über seinen späten Triumph, er wirkte so schlecht gelaunt, wie Olaf Scholz, die alte Stimmungskanone, es der AfD vorwirft. Sieger sehen anders aus.

Die ganze Angelegenheit ist komischer als alle Burgenländer-Witze zusammen. Zum Schaden kommt der Spott. „Dosko“ verspürt jetzt keine Lust mehr auf Bundespolitik, und der linke Babler, ohne jede Erfahrung in derselben, weil Bürgermeister einer unbedeutenden 20.000-Einwohner-Stadt, spricht von einem „Tiefpunkt“: „Ich möchte mich für das Bild, das Teile unserer Apparate in den vergangenen Wochen abgegeben haben, aus tiefstem Herzen entschuldigen.“ Sicherheitshalber will er auch noch einmal nachzählen lassen. Nein, diese Ösis! Kriegen es nicht auf die Reihe. Die brauchen unbedingt Unterstützung von Leuten, die wissen, wie’s geht. In Berlin wartet man schon auf einen Anruf.

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Der Beitrag erschien zuerst auf Achgut.com.

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Bild: Shutterstock

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