Von Alexander Wallasch
Eine Meldung, die keine ist, sondern allenfalls politische Gefolgschaft dokumentiert: Der Düsseldorfer Jeck will feiern um jeden Preis. Dafür wird der Politik quasi als Hilfe zur Impfkampagne garantiert, dass die Ungeimpften von allen Veranstaltungen fernbleiben. Die rheinländischen Frohnaturen sind demnach nicht erst traditionell im Alkohol, sondern schon zuvor in ihren angestammten Funktionärsrollen abgesoffen – die militärische Anmutung der Karnevalskostümierung ist damit geeignet, die Herrschaftsordnung zu stützen: Karneval wird so seiner Idee nach auf den Kopf gestellt.
Kostenpflichtig oder nicht: Der Test zählt im Karneval nicht, nur Geimpfte erhalten Einlass – beschloss jedenfalls soeben Hans-Jürgen Tüllmann, Geschäftsführer des Comitees Düsseldorfer Carneval. „Wir (…) werden zu unseren Veranstaltungen keinen Eintritt gewähren, wenn lediglich ein negativer Corona-Test vorliegt. (…) Das reicht uns nicht, um uns vor dem Virus zu schützen. Damit wollen wir auch dazu aufrufen, sich impfen zu lassen.“
Das allerdings liegt eigentlich nicht in der Kompetenz der Jecken. Wo den Behörden ein negativer Test ausreichen würde, um Beschränkungen aufzuheben, da sollten Institutionen keine willkürlichen Regelungen treffen. Diskothekenbesitzer haben da über viele Jahre hinweg leidvolle Erfahrungen gemacht, beispielsweise wenn sie Zugewanderte aufgrund schlechter Erfahrungen trotzdem an der Diskothekentür abwiesen und dafür z.B. in Niedersachsen belangt wurden:
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig als für das Betreiben eines Gaststättengewerbes verantwortliche Person bei der Kontrolle des Einlasses in eine Diskothek oder beim Aufenthalt in einer Diskothek eine Person wegen der ethnischen Herkunft oder Religion benachteiligt, handelt gemäß § 11 Abs. 1 lfd. Nr. 14 Niedersächsisches Gaststättengesetz (NGastG) vom 10.11.2011 in der Fassung vom 15.12.2015 ordnungswidrig.“
Der Focus hatte sich dieser Frage schon Anfang Juli angenommen und recherchiert, dass es allerdings nur wenige Ausnahmen wie diese ethnischen bzw. religiösen gibt, das Hausrecht nicht nach Gutsherrenart einzuschränken: Der Impfstatus sei jedenfalls kein Ausnahmegrund – egal ob in Bezug auf Covid-19 oder eine andere Krankheit.
Ethnische oder religiöse Ausschlussgründe sind verboten, aber nach Impfstatus dürfen Einzelhändler und Veranstalter „nach Gusto“ sortieren. Im beruflichen Umfeld ist das freilich etwas anderes, aber Karneval ist kein Beruf – lediglich wenn in dem einen oder anderen Jecken-Büro eine Angestellte einer Tätigkeit nachgehen würde.
Interessant wäre es, einmal zu schauen, wie das mit den vom Karnevalsverein angemieteten Veranstaltungsorten oder der passenden Catering-Versorgung aussieht, denn die Kellnerin und der Koch dürften von der karnevalistischen Impfnachweis-Forderung nicht betroffen sein. Aber auch hier gibt es eine Grauzone, die erst da scharfe rote Konturen bekommt, wo etwa ein Arbeitgeber rechtswidrig Angestellte zum Impfen verpflichten will.
Aber Stopp: Auch im Unternehmen hat der Arbeitgeber Hausrecht: Er darf ungeimpften Mitarbeitern zwar nicht kündigen, aber er darf ihnen den Zutritt verweigern, muss allerdings alternative Räumlichkeiten finden – also eine Art individuelle Separation auf der Basis des Hausrechtes vornehmen, inklusive Ausschluss aus Sozialräumen und anderen grundsätzlich zugänglichen Aufenthaltsräumen.
Düsseldorf sprintet voran, Köln denkt schon darüber nach
Nun findet Karneval überall in der Stadt Düsseldorf statt, wenn er denn stattfinden darf. Karnevalsferne deutsche Regionen staunen ja jedes Jahr aufs Neue über das närrische Völkchen, dass sich befreit gibt von allen Konventionen und Rollenzwängen, aber in diesen Hochburgen längst seine eigenen strengen Regeln und Konventionen hat.
In diesen Traditionsvereinen wirkt auch der eine oder andere gestandene Freizeitbürokrat, dessen Pappnase noch viel größer hätte sein müssen, um den dicken Amtsschimmel zu verdecken.
Der Tagesspiegel, so etwas, wie die mediale Speerspitze der Bundes-Impfkampagne nannte den Karneval einmal ein „spießiges Herumgewitzel in traurig-heiteren Kostümen.“
Und das Blatt bringt es unfreiwillig auf den Punkt: Der Karneval sei einmal als „Rebellion gegen die Machtelite“ gestartet und jetzt zu einem „Fest von unterirdisch schlechten Späßen“ herabgesunken. Letzteres ist sicher despektierlich all jenen gegenüber, die sich das ganze Jahr über freuen, frohgemut alles vorbereiten und plötzlich als Ungeimpfte trotz Test, von einer Auslegung des Hausrechts ausgehend, mit Ausschluss von Veranstaltungen diszipliniert werden sollen.
Und wenn die Polonaise dann im Saal mit ganz großen Schritten loszieht, dann muss die Heidi sich keine Sorgen machen – der Erwin, der ihr von hinten an die Schulter fasst, ist garantiert doppelt durchgeimpft. Was das ändern soll bei gleicher Viruslast, geht dann allerdings im Getümmel unter.
Ein dreifaches Helau abschließend für das „Karnevalsimpfen“ – das ist nämlich gar kein pandemisches Helau, sondern das gab es schon vor drei Jahren, als die Majestäten sich von der AOK gerne vor den Grippeschutz-Impfkarren spannen ließen und den Oberarm freimachten:
„Die zum Glück kerngesunden Majestäten Carsten Gossmann und Yvonne Stegel besuchten das AOK-Zelt, und überhaupt stand dank ihnen diese Veranstaltung unter dem zugkräftigen Motto ‚Karnevalsimpfen’“. Währenddessen wurden die Düsseldorfer von zwei Ärzteteams geimpft.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: mimher/ShutterstockText: wal