Corona-Ladenschließungen: „Keine konkreten Hinweise“ Regierung zeigt sich bedeckt

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat einen Teil der Corona-Maßnahmen außer Kraft gesetzt. So dürfen nun Geschäfte in dem kleinsten Flächenstaat der Bundesrepublik wieder öffnen. Das Gericht äußerte „erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Betriebseinschränkungen.“ (Details hier). Ich habe das zum Anlass genommen, heute auf der Bundespressekonferenz beim Gesundheitsministerium nachzufragen: „Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat die Ladenschließungen für ungesetzmäßig erklärt. Sie sagten, sie sehen keine Gleichbehandlung wegen der unterschiedlichen Hygienevorschriften. Meine Frage bezieht sich explizit nicht auf dieses Urteil, sondern generell. Wie erklären Sie diese Unterschiede zwischen Supermärkten und anderen? Welche wissenschaftlichen Studien stecken dahinter?“

Spahn Sprecher Oliver Ewald antwortete: „Ich kann Ihnen mit Blick auf Ihre Fragestellung keine detaillierte Auskunft geben. Es gibt ja Empfehlungen. Es gibt Hygienekonzepte der Länder für den öffentlichen Bereich. Es gibt entsprechende Testkonzepte. Es gibt Vorgaben der Länder, was das Tragen von Masken in diesem Bereich angeht. Das wird alles von den Ländern vor Ort, auch im Rahmen von Hygienekonzepten, ausgestaltet, beispielsweise zusammen mit Supermärkten. Insofern kann ich Ihnen jetzt keine konkreten Hinweise geben.“

Ich fragte noch einmal nach: „Ist es geplant, da irgendwelche Studien in Auftrag zu geben?“

Ewald: „Das ist mir nicht bekannt.“

Bereits im Dezember konnte das Ministerium keine validen Daten über die Ansteckungsgefahr und Gesundheitsrisiken benennen, auf denen die Schließung der Gastronomie und der Hotels basierte (Details hier).

Offenbar gibt es weiter keine genauen Erkenntnisse. Und auch deren Erhebung ist offenbar nicht geplant. Dies ist erstaunlich, da die Schließung der Läden nicht nur fast jeden Menschen in Deutschland betrifft, sondern auch unzählige Existenzen von Unternehmern und ihren Angestellten bedroht.

Corona-Hilfen

Meine zweite Frage heute in der Regierungssprecher-Bundespressekonferenz drehte sich um die Betrugsfälle mit Corona-Hilfen, die zu einem zeitweiligen Stopp von Hilfsgeldern führten.  Die dürfen nur über „prüfende Dritte“ beantragt werden, und genau damit sollte eigentlich Betrug minimiert werden. Nach meiner Frage vom Mittwoch schrieben mir zahlreiche Leser vom Fach, dass sie vor diesem Hintergrund einiges nicht verstehen. Ich fragte:  „Wie stellen Sie bei diesen unabhängigen Dritten sicher, dass die wirklich Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer sind, wie wird das überprüft?“

Altmaier-Sprecherin Beate Baron antwortete: „Es ist so, dass wir das System der sogenannten prüfenden Dritten eingeführt haben, um eine Sicherheitslinie einzuziehen. Prüfende Dritte sind Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte, die hier sozusagen mit ihrer berufsständischen Haftung auch Gewähr für die Daten einnehmen müssen. Dann gibt es ein zweistufiges Registrierungsverfahren, um überhaupt Anträge stellen zu können. Die prüfenden Dritten müssen sich zuerst registrieren und mit ihrem jeweiligen Berufsregister über die Onlineplattform www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de den Nachweis der Authentifizierung anmelden. Dann erfolgen der Abgleich und die Prüfung der Daten. Es wird postalisch eine PIN-Nummer zugesendet, mit der ich mich in einem zweiten Schritt noch einmal registrieren und die Anmeldung vornehmen muss, sodass zwei Stufen einbezogen sind, um das zu prüfen.

Man muss natürlich sagen: Die wenigen Verdachtsfälle, die jetzt in den strafrechtlichen Ermittlungen liegen, zeugen von hoher krimineller Energie, sodass wahrscheinlich kein System hundertprozentige Sicherheit gewährleisten kann. Aber natürlich müssen wir alles dafür tun, es soweit wie möglich zu verhindern.“

Ich fragte nach: „Verstehe ich es richtig, dass Sie sicherstellen konnten, dass alle, die als prüfende Dritte auftraten, auch wirklich prüfende Dritte waren und die entsprechende Qualifikation haben? Geschah dann der Betrug ohne deren Wissen oder absichtlich von ihnen?“

Baron: „Diese Schlussfolgerung kann ich jetzt hier nicht offiziell machen, weil ich damit Verdachtstatbestände oder etwaige Straftaten benennen würde. Das kann ich angesichts der laufenden Ermittlungen nicht tun.

Ich hakte noch einmal nach.

Baron: „Wie gesagt: Das Verfahren ist so, dass es in dieser zweistufigen Registrierung erfolgt. Der Nachweis des Berufsregistereintrages muss erfolgen und wird auch abgeglichen. Mit welchen betrügerischen Absichten hier vorgegangen wurde; da bitte ich um Verständnis, dass ich Ihnen dazu nichts sagen kann, das ermitteln gerade die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden.“

Korruption von außen

Meine dritte Frage ging ans Innenministerium: „Herr Alter, Aserbaidschan ist jetzt in den Schlagzeilen. Es ist die Rede von Bestechungsversuchen. Wie gehen Sie mit solchen Versuchen der Einflussnahme um? Ich nehme an, der Verfassungsschutz ist dafür zuständig. Wie bekämpft man die? Wie ist da generell die Lage? Das betrifft ja wohl nicht nur Aserbaidschan. Nimmt das zu, nimmt das ab? Vielleicht könnten Sie kurz darüber berichten.“

Seehofer-Sprecher Steve Alter antwortete: „Ganz grundsätzlich ist es so, dass Bestechung und Bestechlichkeit Straftaten sind. Wenn die festgestellt werden, dann sind sie entsprechend zu verfolgen. Dabei muss man jetzt noch einmal unterscheiden, ob das Einzelfälle sind oder ob eine Strategie aus einem anderen Staat dahintersteckt. In der Tat ist es so, dass solche Einflussversuche, falls sie stattfinden, von den Sicherheitsbehörden sehr genau beobachtet werden. Da gibt es ja vielfältige Formen. Konkret in Bezug auf Aserbaidschan müsste ich jetzt noch einmal recherchieren, ob es dazu konkrete Aussagen gibt. Ich kann das im Einzelfall jetzt noch einmal prüfen, aber keine generelle Aussage machen.“

Ich hakte nach: „Können Sie dann nachliefern, ob es neue Tendenzen gibt?“

Anbei noch ein paar weitere Fragen und Antworten von der heutigen Bundespressekonferenz:

Zu viel geöffnet?

Dr. Rinke: „Eine Frage an Herrn Seibert zum Thema Öffnungsstrategie: Muss man nicht eine Woche nach den Entscheidungen der Ministerpräsidenten und der Bundesregierung sagen, dass man vielleicht bei den Öffnungen zu weit gegangen ist? Zum einen gibt es ja Zahlen, dass sich die Neuinfektionen, zum Beispiel in den Kitas, stärker ausbreiten. Frau Dreyer hat heute schon die wahrscheinliche Rücknahme der Öffnungsbeschlüsse für den Einzelhandel angekündigt. Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass man zu früh losgeprescht ist angesichts der schon in der letzten Woche absehbaren Steigerung der Neuinfektionszahlen?“

Seibert: „Ich will mir jetzt Ihre Schlussfolgerung nicht zu eigen machen. Es war schon bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz allen Beteiligten klar, dass wir keineswegs in einer komfortablen Lage sind, sondern die Inzidenzzahlen durchaus vermuten lassen, dass sich die Mutationen stärker und weiter dominant durchsetzen werden.

Man kann jetzt, glaube ich, sagen, dass das nahezu geschehen ist. Die Mutationen werden das Infektionsgeschehen dominieren, und darin liegen vielerlei Gefahren. Nichtsdestotrotz gerade durch die Möglichkeit des gesteigerten Impfens und durch die Tests, die wir jetzt zur Verfügung haben und die wir davor noch nicht zur Verfügung hatten, sahen die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten Chancen zu einer ganz vorsichtigen und umsichtigen Öffnungspolitik in verschiedenen Städten und einer, das ist ganz wichtig, eingebauten Notbremse.

Was wir jetzt erleben, ist also eine Zunahme des Anteils der Virusmutationen, die das Geschehen dominieren, ein Inzidenzwert, der national wieder bei über 70 liegt und steigende Inzidenzen vor allem auch in den jüngeren Altersgruppen, die zwar in der Tendenz weniger von schweren Verläufen betroffen sind, bei denen es aber dennoch, wenn es viele Infizierte gibt, auch mehr schwere und tödliche Verläufe geben kann. Die Langzeitfolgen von COVID 19 können eben auch 30-, 40- und 50-Jährige erreichen. Das sehen wir. Deswegen ist es absolut richtig, dass alle Öffnungsschritte, die es derzeit gibt, mit absoluter Vorsicht und Umsicht erfolgen.

Es gilt weiterhin das, was der Präsident des Robert-Koch-Instituts hier auch heute wieder gesagt hat: Schutzmaßnahmen bleiben unbedingt notwendig. Maske tragen und Abstand halten, das alles bleibt strikt anzuwenden. Das Homeoffice, die Arbeit von Zuhause, ist ein ganz wichtiges Mittel und bleibt es auch. Das ist das, was wir heute sagen können. Die nächste reguläre Verabredung haben die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin ja für den 22. März. Dann werden sie natürlich die Schlüsse aus der Entwicklung bis dahin ziehen müssen.“

Rinke: „Aber hatte nicht die Kanzlerin gerade vor einem Jojo-Effekt gewarnt, den wir jetzt erleben, also Einzelhandelsgeschäfte am Montag auf, zum Ende der Woche möglicherweise wieder zu, weil man um die Inzidenz von 50 schwankt?“

Seibert: „Ja. Natürlich wollen wir nicht in großem Stil Öffnungen, die man dann in großem Stil wieder zurücknehmen muss. Die Notbremse ist ein ganz wichtiges Mittel, und die Notbremse besagt implizit, dass tatsächlich bei Überschreiten der Inzidenz von 100 über eine bestimmte Zahl von Tagen hinweg Öffnungsmaßnahmen zurückgenommen werden können. Wir sollten uns immer bewusst sein, dass es in unserer Hand liegt, diese dritte Welle möglichst flach zu halten und sie nicht mit ganz steilen Zahlen nach oben schießen zu lassen. Das hängt an unser aller Verhalten am Arbeitsplatz, im privaten Bereich, in der Art und Weise, wie wir jetzt verantwortungsvoll mit den Öffnungen, die begonnen haben, umgehen.“

Infektionen in Kitas und Schulen

Jordans: „Ich möchte daran anknüpfen: Der Chef des RKI hat ja auch gesagt, dass man alle notwendigen Schutzmaßnahmen nutzen sollte, um die Infektionen in Kitas und Schulen gering zu halten. Aber ein Jahr nach dem Start der Pandemie gibt es immer noch kein Testkonzept für Kinder und kaum Lüfter für Schulen. Aus Berlin wissen wir, es gibt teilweise pro Schule ein bis zwei Lüfter. Plant die Bundesregierung eine Taskforce Kinderschutz oder zumindest, so viel Geld für Lüfter und Tests in den Schulen auszugeben, wie sie für die Lufthansa ausgegeben hat?“

Seibert: „Ich weiß nicht, ob es jetzt sinnvoll ist, wirtschaftlich sinnvolle und notwendige Unterstützungsmaßnahmen gegen andere ebenso sinnvolle Maßnahmen in der Coronapandemie aufzurechnen.

Das Geschehen an den Schulen ist von ganz großer Bedeutung, weil die Schulen natürlich für eine enorme Zahl von Kontakten sorgen. Deswegen ist Testen an den Schulen auch sehr, sehr wichtig. Es sind die Länder, das wissen Sie, die den Schulunterricht, die Wiederaufnahme des Schulunterrichts, organisieren und die für die Möglichkeit von Testungen sorgen müssen.

Die Bundesregierung hat sich ihrerseits bemüht, darüber können ja die Kollegen hier auch Auskunft geben, dafür zu sorgen, dass Tests vorhanden sind, dass Tests auch in der Zeit, in der jetzt immer mehr auf den Markt kommen, in einer Phase der Überbrückung zur Verfügung gestellt werden. Dann wird der Markt sicherlich noch weiter für Erleichterung sorgen. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Es ist wichtig, dass das Testen nicht nur bei jedem einzelnen erfolgt, der jetzt den ihm zustehenden Schnelltest einmal in der Woche nutzt, nicht nur in den Betrieben, die da einen sehr substanziellen Beitrag zu leisten haben und sich dazu selbst verpflichtet haben, sondern eben auch an den Schulen und in den Kitas. Da ist es wiederum die Verantwortung der Länder, dies zu organisieren.“

Gespräche mit Biden-Administration

Frage Jordans: „Herr Seibert, Sie haben diese Frage jetzt teilweise schon beantwortet, aber ich möchte noch einmal ganz sicher gehen, ob ich Sie richtig verstanden habe: Hat die Bundesregierung in ihren bilateralen Gesprächen mit der Biden-Administration die Impflieferungen, ob geliehen oder regulär exportiert, konkret thematisiert? Haben Sie Verständnis für die Policy der beiden Regierungen, bei den Exporten sehr restriktiv vorzugehen?“

Seibert: „Ich denke, ich habe Ihre Frage mit dem, was ich vorhin gesagt habe, schon beantwortet.“

Zusatz Jordans: „Nein.“

Seibert: „Doch. Es ist sowohl Gegenstand der Gespräche der Europäischen Kommission, die für alle 27 Mitgliedstaaten zuständig ist, wie es auch etwas ist, das die Bundesregierung auf verschiedenen Ebenen auch thematisiert. Ansonsten habe ich die Bedeutung, die Europa als Entwicklungsstandort und Produktionsstandort für Impfstoffe und auch als Exporteur von Impfstoffen hat, den USA gegenübergestellt, die ein sehr bedeutender Produzent von Impfstoffen sind, aber eben kein Exporteur.“

Impfstoff Moderna in Deutschland

Frage Kohnert: „Ich frage auch noch einmal konkret dazu: Bisher wird ja am wenigsten der Impfstoff von Moderna nach Deutschland geliefert. Was sind denn da die Hintergründe? Ist der Grund, dass das ein US-Unternehmen ist, oder wie kann man das erklären?“

Ewald: „Ich denke, das ist eine Frage, die Sie an die EU-Kommission als zentrale Beschaffer richten sollten. Ich kann Ihnen dazu keine Hinweise geben.“

Zusatzfrage Kohnert: „Es gibt dazu sicherlich auch eine Meinung des Gesundheitsministeriums? Diese Frage wurde in der Pressekonferenz bisher tatsächlich nicht beantwortet.“

Ewald: „Wir sind da grundsätzlich auf die Angaben der Hersteller angewiesen, was sozusagen die verfügbaren Impfmengen angeht. Das machen wir auch transparent, das wird tagesaktuell ausgewiesen. Aber noch einmal zum Arrangement: Die EU beschafft die Impfstoffe, und Deutschland bekommt dann entsprechend seines Bevölkerungsanteils die entsprechenden Mengen und verteilt die an die Bundesländer. Aber die Beschaffung und der Kontakt mit den Herstellern laufen auf EU-Ebene.“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Bild: Boris Reitschuster
Text: br


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