Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen
Dieser Ausruf der Ratlosigkeit und Verzweiflung ist berechtigt, denn derzeit ist nichts mehr logisch und von allen Seiten kommen Wellen auf uns zu, die an Kreuzseen erinnern. Das Meer ist unruhig an diesem schönen Augusttag.
In Berlin werfen sich die Corona-Opposition von der Straße und die Regierung gegenseitig Gewalt vor. Die Bilder zeigen allerdings Gewalt sowohl bei der Polizei, als auch bei den Demonstranten. Es gab auch ein Todesopfer. Ein Demonstrant starb nach der Festsetzung durch die Polizei an einem Herzinfarkt.
Die Regierung wirft der Corona-Opposition eine Delegitimierungsstrategie gegenüber der staatlichen Gewalt, auch der Regierung selbst, vor und betrachtet das als „staatszersetzend“, während die Corona-Opposition den Regierungen in Bund und Ländern ein demokratiefeindliches Verhalten vorwirft. Also „demokratiezersetzend“!
An beiden Vorwürfen ist etwas dran. Allerdings werden diese nicht geklärt, sondern weiter eskaliert, was zu neuen Empörungswellen führen wird. Schon ist ein Verbot von Querdenken im Gespräch und wird auch auf der Bundespressekonferenz von Regierungssprechern ganz offen geäußert und in den Medien, atemlos, ventiliert.
Die Anwürfe der Gegenseite werden nicht entkräftet, sondern mit Macht beantwortet. So weit sind wir schon.
Macht ist in unserem Land derzeit so ein Problem. Sie wird vom Wähler erteilt. Aber was, wenn alle Parteien gleichviel Stimmen haben?
Ganz so ist es noch nicht, aber es geht deutlich in diese Richtung:
Union 27 bis 30 %, SPD 15 bis 18 %, Grüne 16 bis 21 %, FDP 10 bis 13 %, AfD 10 bis 12 % und Linke 6 bis 8 %.
Man könnte das ja positiv sehen, wenn bei uns, der Gerechtigkeit halber, die ersten fünf Parteien ähnliche Stimmanteile bei den Wahlen bekämen. Nach dem Motto, „Alle haben gleich viel“, wenigstens bei den Wahlen, wenn schon nicht im Leben. Aber diese Art der Gleichheit führt dazu, dass die Wähler sich selbst entmachten. Denn nun entscheiden die Funktionäre der Parteien, welche Regierung sie eingehen wollen, und die Mehrheitsbildung wird dadurch in die „Berliner Blase“ verlagert.
Ganz schlecht für die Bürger in unserem Land, die dann nicht mehr gehört werden müssen.
Die Bildung von Regierungsmacht wird so zu einem Ergebnis von Absprachen, die man gern auch vor der Wahl schon mal treffen kann.
Ist das nun staatszersetzend? Nein, zumindest dann nicht, wenn sich unsere Richter den Versuchen politischer Einflussnahme durch Einschüchterung und Schlimmeres widersetzen. Die Corona-Krise hat da eine ganze Reihe von Fouls der Politik gegen deutsche Richter aufgedeckt und das Foul-Spiel geht munter weiter.
Auch unsere wissenschaftlichen Kommissionen werden politisch unter Druck gesetzt, wie das Beispiel der „Ständigen Impfkommission“ zeigt. Die will standhaft bleiben. Wir werden sehen.
Die Lage spitzt sich auch deshalb zu, weil unsere Regierung Wissenschaft als Instrument fachlich unverbindlicher Meinungsbildung nutzt und das schon von Beginn der Pandemie an.
Herausragender Vertreter dieser Richtung der „Wissenschaftsinterpretation“ ist Karl Lauterbach von der SPD, der einmal als Arzt auftritt und dann wieder als Politiker. Er argumentiert auch so. Wenn es um ein epidemiologisches Problem geht, bringt er auch gern mal ein politisches Argument, welches ein wissenschaftliches Argument sticht, ohne es so genau zu kennzeichnen.
In einer BILD-Diskussion mit Wolfgang Kubicki versteifte er sich, als ihm die wissenschaftlichen Argumente ausgingen, darauf, dass man auch die Impfunwilligen vor den Impfunwilligen schützen müsste, auch wenn sie es selbst so entschieden hätten. Ein „kustodialer Joker“, der aus einem anderen Staatsverständnis stammt, das viele von uns längst für überwunden hielten. In letzter Konsequenz will ein solches autoritäres Denken auch die Impfunwilligen vor sich selbst schützen. Der Impfzwang ist damit zwangsläufige Folge eines solchen Zwangsdenkens – eines Zwanghaften, auf den die Welt nicht gerade gewartet hat.
Nicht schön!
Aber staatlicher Autoritarismus ist nun mal ein ganz angesagtes Thema
Hatte Joe Biden nicht gerade gesagt, dass die autoritären Systeme die Demokratien herausfordern würden – und zwar auch gerade wirtschaftlich?
Damit hatte er allerdings nicht gemeint, dass demokratische Länder nun autoritär werden müssen, um mitzuhalten. Er hatte nur gesagt, die Demokratien müssten sich jetzt zusammenreißen.
Der Meinung ist aber auch Xi Jinping, der derzeit erfolgreichste Diktator weltweit. Er verlangt von seinen internationalen Handelspartnern ein höfliches und liebevolles Schweigen, während er dabei ist, Raketensilos und Konzentrationslager zu bauen. Wer nicht mitspielt, bekommt die chinesische Wirtschaftsmacht zu spüren, wie derzeit Australien. Das Land hatte gewagt, eine neuerliche und wirklich unabhängige Untersuchung über den Ursprung von SARS-CoV-2 zu fordern und wurde prompt mit einer Reihe faktischer Wirtschaftssanktionen belegt.
Mal sehen, wie lange wir uns in Europa noch Kritik an China erlauben können. Denn es hat den Anschein, dass überall, wo China sein Geld hinwirft, nach kurzer Zeit chinesische Verhältnisse herrschen.
Eigentlich wäre das die Stunde der Transatlantiker, die nun laut und deutlich Gefolgschaft für die USA fordern müssen. Aber die bleiben eigenartig stumm.
Liegt es daran, dass auch der beste transatlantische Think-Tank von seinen engen Beziehungen zur deutschen Industrie lebt?
Ich weiß es nicht.
Sogar die Grünen verlangen in ihrem Programm vehement ein Einfordern der Menschenrechte im Reich der Mitte, reden aber kaum darüber. Stattdessen will Baerbock die deutschen Gesetze gendern. Also Täter*innen, Terrorist*innen und Vergewaltiger*innen. Das ist wirklich sophisticated!
Die anderen Parteien äußern sich aber auch nicht zu unserer schärfsten außenpolitischen Bedrohung.
Steht denn bei uns im September auch Xi Jinping zur Wahl? Oder muss er die Wahl absegnen, damit sie gültig ist? Was, wenn er, wie die Kanzlerin in Thüringen, Einspruch gegen das Wahlergebnis erhebt? Müssen wir dann neu wählen? Dürfen wir dann überhaupt? Die Thüringer dürfen ja nun nicht.
Die deutsche Industrie bleibt jedenfalls gelassen und fürchtet nicht um ihr Chinageschäft, obwohl sie das eigentlich sollte. Denn die Kanzlerin, die bisher die Hand über China gehalten hat, ist bald weg.
Der neue Siemens-Chef, Roland Busch, erklärt derweil in einem Podcast der Wirtschaftswoche, wie Siemens die Sache sieht. Die Amerikaner würden die Auseinandersetzung mit China rein wirtschaftlich betrachten und wollten hier ihre Führungsposition behaupten. Vom Chefredakteur der Zeitung ein wenig aufs Glatteis geführt, zieht Busch die Schlittschuhe an. Ja, auch in Ägypten habe man ein großes Infrastrukturprojekt, das den Menschen ja in jedem Falle helfe (trotz Militärdiktatur meint er und impliziert das Gleiche in China). Über Politik zu reden, sei nicht die Sache von Siemens.
Wahrscheinlich wäre der locker und smart daherkommende Kaeser-Nachfolger entsetzt, wenn man ihm vorhalten würde, dass europäische und amerikanische Finanz- und Industrieunternehmen mit einer solchen Einstellung bis in die späten dreißiger Jahre auch Hitler und die Nationalsozialisten unterstützt haben, obwohl auch in Nazideutschland schon Konzentrationslager entstanden. Was ist schlecht an Infrastrukturprojekten wie Autobahnen?
Was ist schlecht? Was ist schlecht an Autobahnen? Nazideutschland hat das gezeigt und die Autobahnen für seine Angriffskriege genutzt, aber nicht nur die. Die gesamte Verkehrsinfrastruktur folgte damals dem „Dual-Use-Prinzip“.
Da war doch was?
„Dual-Use“, also kombinierte zivil-militärische Produktion und Nutzung von Infrastruktur, die auch Siemens in China mit aufbaut, ist das vorherrschende Prinzip bei den Chinesen, um militärische Macht möglichst effektiv und billig zu machen. Darüber gibt es umfassende CIA-Berichte. Mögen die Chinesen die Deutschen deshalb so sehr, weil Hitler ihnen vorgemacht hat, wie es geht?
Egal, Siemens hilft! Genau wie im Dritten Reich, auch im Reich der Mitte.
Das ist natürlich, um einen rhetorischen Kunstgriff der regierungsnahen Medien vorwegzunehmen, eine unerträgliche Verharmlosung des Nationalsozialismus. Ja, solange zumindest, bis wir endgültig wissen, wozu die Chinesen imstande sind. Konzentrationslager für eine Million Menschen haben sie zumindest schon.
Wir können es auch gern an dieser Stelle stehen lassen und weiter abwarten, ob das Verhältnis unserer Regierung zu politischen Diktaturen und autoritären Regierungen noch irgendwann definierbar wird. Unter Merkel war das jedenfalls nicht der Fall. Es lief eher nach dem Motto: „Gleichen wir uns doch ein bisschen an. Wir werden etwas autoritärer und ihr werdet etwas demokratischer.“
„Allah, Allah“, bei den Mullahs im Iran hat das jedenfalls nicht geklappt. Da sitzen jetzt die Chinesen und haben ihre ganze Autoproduktion dabei. Das Problem ist, dass sich autoritäre Staaten eben doch besser miteinander verstehen.
Was ist jetzt? Dürfen wir trotzdem demokratisch bleiben?
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: ShutterstockText: Gast
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