Auf Messers Schneide Messervebot: Jetzt auch in Bussen und Bahnen?

Ein Gastbeitrag von Thilo Schneider

Die schlechten Nachrichten reißen dieser Tage nicht ab: Laut einem Bericht der WELT erwägt Nancy Faeser nun – halten Sie sich fest, schnallen Sie den Sicherheitsgurt an und kleben sich die Haare an den Kopf – ein Messerverbot für Busse und Bahnen.

Sie sind sicher genauso schockiert wie ich. War es bisher nur verboten, Messer, Einwegfeuerzeuge, Nagelfeilen, Handgranaten und Schusswaffen mit an Bord eines Flugzeugs zu nehmen (was ich schon sehr unhöflich gegenüber Terrorist*Innen fand), greift nun der lange Arm des Staates auch in die individuelle Messerfreiheit in Bussen und Bahnen ein.

Wir alle wissen: Kein Mensch fährt heute noch ohne Messer Bus oder Bahn. Man weiß ja nie, wann einen so ein Trauma überwältigt und man einfach mal Lust hat, einen Apfel oder den laut telefonierenden Typen hinter Dir aufzuschneiden. Mal ganz abgesehen davon, dass, sollte man einen Reisenden mit einer Axt im Wagen 2 antreffen, ihn einfach fragen könnte, was er mit dieser Axt vorhat. Das muss nicht immer gleich ein Irrer mit einer Axt sein – es könnte auch ein Holzfäller auf dem Weg zum Arbeitsplatz sein. Wir sollten da keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Auch, wenn er kein Holzfällerhemd aus Flanell und Sicherheitsschuhe trägt. Man weiß es ja nicht. Aber Vorurteile helfen nicht weiter.

Außerdem: Wie soll sich denn ein tief traumatisierter Mensch Gehör verschaffen, wenn nicht durch ein Gemetzel? Wenn der jetzt ohne Messer eingestiegen ist, kann er maximal laut schimpfen, jemanden mit seinen Fäusten traktieren oder am Bahnhof Kinder ins Gleisbett schubsen. Da müssen wir uns als Gesellschaft schon fragen, ob wir das wollen. Ich halte das von Frau Faeser nicht sehr durchdacht. Dabei tut sich dann auch eine weitere interessante Frage auf: Welche Messer sind denn genau gemeint? Kinder stechen sich auch mit handelsüblichen Nagelfeilen ab. Bis allerdings mehrere Dutzend Stiche gesetzt sind – das dauert. Mit einer formschönen und kulturell nicht angeeigneten Machete genügt ein Schlag, um dem eigenen Unmut gepflegt Ausdruck zu verleihen. Ab welcher Klingenlänge sind dann Messer verboten? Ich könnte das Verbot von schweren Zwei-Meter-Schwertern, sogenannten „Bi-Händern“, verstehen, da sie sehr unhandlich sind und beim Transport die Gepäckaufbewahrung blockieren, aber was ist beispielsweise gegen einen Pallasch, einen Degen oder Säbel oder ein handliches Bajonett einzuwenden? Selbst ein Dolch lässt sich – wie wir seit Cäsar wissen – hervorragend im Gewande transportieren. Wo geht das also los und wo hört das auf? Streng genommen, darf dann nicht einmal der Herren-Nadelclipser aus den 60er-Jahren mit auf Reisen und auf Reisende losgehen?

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Japanische Katana neben dem römischen Kurzschwert

Eine weitere Frage sind die Kontrollen: Ich sehe schon die Eingangstore am wirklich miesen Hanauer Hauptbahnhof, auf dem dann speziell die Gleise Richtung Frankfurt kontrolliert werden: Da wird gescannt, gepiept und abgetastet und neben dem Checkpoint liegt so ein kleiner Haufen mit kulturellen Bewaffnungen aller Art. Da liegt dann das japanische Katana neben dem römischen Kurzschwert, das Sax neben dem Krummdolch und die Armbrust schmiegt sich traut an die Baker-Rifle. Der Revolver kuschelt mit der Halbautomatik und das MG42 hat sich im Tragegurt der für die Ukraine bestimmten Panzerfaust44 verheddert. Ein wunderbarer Anblick, der uns bisher durch eine schlampige Bürokratie verbundeswehrt wurde.

Ich freue mich auch auf die mannigfaltigen Diskussionen an der Sicherheitsschleuse: Die Machete war ein Erbstück, ich bin Fechter auf dem Weg zum Turnier, ich bin Reichsbürger und brauche das Ding, ich bin Polizist und das ist meine Dienstwaffe… Hand aufs Herz: Bisher hatte doch jeder von uns einen Grund, besser als die GSG9 bewaffnet einen Zug zu besteigen.

Wäre es da nicht sinnvoller, die Bahn stellt allen Reisenden passive Bewaffnung zur Verfügung? Es müssten doch noch genug Kevlar-Helme, Kettenhemden und Splitterschutzwesten herumliegen? Neben bequemem Tragekomfort würde das auch das Sicherheitsgefühl in Bussen und Bahnen erhöhen. Ergänzend könnten auch speziell ausgebildete Nahkampfeinheiten der Bahnpolizei durch den Zug patrouillieren und jeden zu Boden schleudern, der sich, vielleicht nur mit einem schnöden Stahlrohr bewaffnet, auf das Zugbegleitpersonal stürzen will, weil es die Unverschämtheit hatte, nach einer gültigen Fahrkarte zu fragen. Oder weil der Schokopudding im Bordrestaurant ausgegangen ist.

Ja, es soll Zeiten gegeben haben, da stiegen Menschen in saubere Züge, die pünktlich anfuhren und pünktlich ankamen, bezahlbar waren und trotzdem einen gewissen Komfort – wenn nicht sogar Luxus boten. Aber, man muss das leider so sagen, damals war Deutschland nicht so bunt wie heute, sondern eher so grau und langweilig und relativ homogen und sicher, wenigstens bis 1933 und dann von 1945 ab bis etwa 2015. Aber mal ehrlich: Wollen wir wirklich die langweiligen Zugfahrten von damals mit ihren umweltverschmutzenden Dampfwolken gegen die abenteuerlichen und spannenden Zugreisen von heute, die uns nicht nur Organisationstalent und Orientierungsfähigkeiten, sondern auch Nahkampferfahrungen und Nahtoderlebnisse im Nahverkehr abverlangen, tauschen? Ich meine: Ja, das wollen wir. Und dazu braucht es kein Messerverbot, sondern eine klare Einwanderungspolitik. Aber das ist ein anderes Thema.

Nach dem, was ich erlebt habe, und meiner Operation, muss ich meine Arbeit deutlich ruhiger angehen und mich schonen. Dazu haben mich die Ärzte eindringlich aufgefordert. Und ich glaube, das bin ich meinen Nächsten, meinem Team und auch Ihnen schuldig. Wir wollen ja noch eine Weile etwas voneinander haben! Und nach drei Jahren mit Vollgas und an vorderster Front hat der Motor etwas Schonung verdient. Umso mehr bin ich Ihnen dankbar für Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, weiterzumachen! Und sie gibt mir die Sicherheit, mich auch ein wenig zurücklehnen zu können zur Genesung. Auf dass wir noch ein langes Miteinander vor uns haben! Ganz, ganz herzlichen Dank!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video:

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thilo Schneider, Jahrgang 1966, freier Autor und Kabarettist im Nebenberuf, LKR-Mitglied seit 2021, FDP-Flüchtling und Gewinner diverser Poetry-Slams, lebt, liebt und leidet in der Nähe von Aschaffenburg. Weitere messerscharfe Artikel von Thilo Schneider finden Sie unter www.politticker.de. In der Achgut-Edition ist folgendes Buch erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Bild: Shutterstock

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