Als Journalist im Visier der Polizei: Psychoterror oder Behördenchaos? Offizielle Auskunft: „Kein polizeilich relevanter Vorgang"

Vergangene Woche habe ich Ihnen hier berichtet, dass die Polizei in meiner Heimatstadt Augsburg bei meiner Familie vorstellig wurde und einen engen Verwandten über mich ausfragte. Ich habe deshalb eine Presseanfrage dazu an die Polizei geschrieben. Mit Bitte um Aufklärung, worum es geht – und dem Hinweis, wie ich zu erreichen bin (am einfachsten über die Impressum-Daten meiner Seite, die ohne den Spürsinn eines Sherlock Holmes auffindbar sind). Fast parallel mit der Antwort der Augsburger Polizei – auf den ersten Blick eine völlige Entwarnung – kam eine Nachricht von meinem früheren Hausmeister in meiner Berliner Mietwohnung, dem ich bis heute sehr freundschaftlich verbunden bin:

„Hallo Boris, bitte melde dich bei mir, besser wäre, du rufst mich an,
denn das LKA war heute um (9:30 Uhr) da und hatte gefragt,
ob du hier wohnst bzw. wo du dich jetzt aufhältst?“

Über all das habe ich in meinem aktuellen Wochenbriefing vorab berichtet (Sie können es völlig kostenlos und jederzeit widerruflich hier bestellen). Wegen der vielen Reaktionen, und weil ich das Thema weit über mich hinaus für relevant halte, und es wirklich das Stoff für einen Thriller hat, möchte ich heute hier den weiteren Text veröffentlichen. Voilà: 

Fast literarisch

Es ist – verzeihen Sie mir, wenn ich mich wiederhole – wie in einem Kafka-Roman. Kaum hat die Polizei mir mitgeteilt, es liege nichts gegen mich vor, schon kommt der nächste Polizeibesuch. Mein früherer Hausmeister denkt so wie ich und er hat den Beamten vom Landeskriminalamt sehr deutlich gesagt, was er von ihrem Besuch hält: Sie sollten kritische Journalisten in Ruhe lassen und sich lieber mit der ausufernden Clan-Kriminalität beschäftigen. Oder mit dem Blumentopf-Wurf vom Balkon auf mich, der nur knapp meinen Kopf verfehlte – und wo es bis heute offenbar keinen Strafverfolgungs-Eifer gibt. Für Angriffe auf kritische Journalisten hat man offenbar keine Ermittlungs-Kapazität bei der Berliner Polizei. Aber für Nachforschungen nach denen.

Die Antwort der Augsburger Polizei ist so bemerkenswert, dass ich sie Ihnen im Original präsentieren möchte – keine Angst, sie ist nicht lang:

Hallo Herr Reitschuster,
Ihre erste Mail ist offenbar tatsächlich untergegangen (war auch nicht im Spam).
Komme auch erst heute dazu Ihnen zu antworten.
Ich habe allerdings keinen polizeilich relevanten Vorgang entdeckt, deshalb vermute ich, dass es nichts Großartiges sein kann.
Anrufe, denen keinen relevanter Sachverhalt zu Grunde legt, werden natürlich nicht protokolliert.
Insofern kann ich Ihnen nicht wirklich weiterhelfen.
Beste Grüße aus Augsburg
XXXXXX XXXXXXXX
Polizeihauptkommissar

Alte Bekanntschaft

Pikanterweise stammt die Antwort ausgerechnet von einem Beamten, den ich noch aus meiner Zeit bei der Augsburger Allgemeinen vor mehr als 25 Jahren kenne und sehr schätze. Ich hatte auch ihn persönlich angeschrieben – er arbeitete damals wie heute in der Pressestelle.

Zunächst freute ich mich über die Antwort: Entwarnung, dachte ich mir. Bis ich die Mail einem engen Freund vorlegte, der bestens vernetzt und mit seinem osteuropäischen Hintergrund sehr viel skeptischer ist als ich, was Behörden angeht. Seinen Kommentar zu der Polizei-Antwort möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

„keinen polizeilich relevanten Vorgang“
Interessante Formulierung…
Und ER konnte persönlich das nicht entdecken.
Er sagt nicht: „es gibt nichts.“
Sondern, dass es sich nicht um ein polizeiliches Thema handelt.
Das legt nahe, dass es sich um einen politischen Befehl handelt.
Das ist diese filigrane Antwort auch wert, diese 10 Tage Bearbeitungszeit.“

Übertrieben?

Tatsächlich kam die Antwort just an dem Tag, als auf der „Achse des Guten“ ein großes Stück über meine Arbeit erschien, in dem auch von der Polizei-Aktion berichtet wurde.

Ich wage nicht zu beurteilen, ob mein Freund nur das Gras wachsen hört, oder ob an seiner skeptischen Analyse etwas dran ist. Dass einen Tag nach dem Polizei-Schreiben in Berlin der nächste Polizei-Besuch stattfand, ist aber nicht vertrauensfördernd.

Ich habe nun auch an die Berliner Polizei einen Brief geschickt mit der Bitte, mich aufzuklären, worum es geht. Und dem Hinweis, wie sie mich erreichen können – was ihnen ohnehin bekannt sein dürfte, da ich mit der Pressestelle ohnehin im regelmäßigen Austausch stehe und alle Briefe ankommen.

Beim letzten Mal, als die Polizei bei meinem Hausmeister war – dem selben – und ich an der Passkontrolle am Flughafen zweimal aufgehalten wurde, bekam ich erst sieben Monate später, im Dezember 2021, einen Hinweis darauf, worum es offenbar ging. Wohl um eine Anzeige wegen angeblicher „Verleumdung“ durch den öffentlich-rechtlichen WDR. Wegen eines schon damals 14 Monate alten Artikels vom Oktober 2020, in dem ich mit aller gebotenen Vorsicht über Berichte von der Ähnlichkeit von zwei Demonstranten mit Reichsflaggen mit WDR-Journalisten schrieb.

Falsche Spur

Dabei betonte ich in dem Text unter anderem: „Tatsächlich sind zwischen dem Fahnenträger und dem grauen Herrn von der WDR-Seite deutliche Unterschiede zu sehen. Hier handelt es sich also offenbar um eine falsche Spur.“ Besonders pikant: Ich war es, der kurz darauf die Geschichte endgültig aufklärte, weil ich das schaffte, was der WDR mit seinen Milliarden nicht zustande bekam: Ich fand die „echten“ Reichsflagge-Demonstranten. Dass nun der WDR ausgerechnet mich anzeigte, der den Verdacht endgültig ausräumte, ist bizarr. Ebenso wie die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft tatsächlich Ermittlungen aufnahm. Mein Anwalt – der die Vorwürfe, diplomatisch ausgedrückt, überhaupt nicht nachvollziehen konnte – beantragte im Januar 2021 Akteneinsicht. Seitdem kam nichts mehr. Warum die Polizei an die Adresse geschickt wurde, an der ich gemeldet war, warum man mich zur „Adressermittlung“ am Flughafen aufhielt, trotz Meldeadresse in Berlin, warum die Polizei zu Nachforschungen zu Kollegen in den Sender kam, in dem ich damals noch meine russischsprachige Sendung hatte – fragen Sie mich bitte nicht! Es ist rational für mich nicht nachvollziehbar. Es sei denn, man geht von gezielter Einschüchterung und/oder Schikane aus.

Im Roman „Der Prozess“ von Franz Kafka weiß der Angeklagte Josef K. bis zum Schluss nicht, was ihm vorgeworfen wird. Die Fragen von Josef K., wer er sei und was seine Schuld sei, ignorieren seine Häscher. Bisher habe er geglaubt, dass er in einem Rechtsstaat lebe, in dem Fragen beantwortet würden, sagt er. Die Männer beteuern, dass sie nach dem Gesetz handelten. Aber sie schweigen weiter. Nach einem für ihn unbefriedigenden Verhör kann Josef K. weiter als Prokurist in seiner Bank arbeiten, sich frei bewegen. Doch lebt er von nun an unter einer mysteriösen Anklage. Und hat keine Ahnung, was ihm vorgeworfen wird, und wie er sich verteidigen könnte. Sein Leben ist ein anderes. Seine Unbeschwertheit und innere Freiheit sind dahin.

Motiv-Suche

Wir leben in kafkaesken Zeiten. Was mir vorgeworfen wird – darüber kann ich nur mutmaßen. Ein Maßnahmen-Kritiker, mit dem ich im Austausch stehe, hat Ähnliches erlebt. Auch ihn, einen Anwalt, hat die Polizei im Visier. Der Grund: Er hat einmal eine in meinen Augen harmlose interne Information, die ein Polizist ihm weitergeleitet hatte, veröffentlicht. Prompt wurde er als Zeuge zur Fahndung ausgeschrieben, die Polizei durchsuchte ihn, man nahm ihm seine Technik ab. Auch ich hatte wiederholt Insider-Berichte von Polizisten auf meiner Seite. Solche, die wohl sehr unangenehm aufgestoßen sind bei den Behörden (siehe hier, hier und hier). Ob es sich darum dreht? Oder um Schikane? Oder um Einschüchterung? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich wie Josef K. in dem Kafka-Roman keine Ahnung habe, was man mir vorwirft. Und ob man mir überhaupt etwas vorwirft.

So unklar mir die Gründe für das Vorgehen der Behörden sind – die mich massiv an das erinnern, was ich aus Moskau kenne – so klar sind mir die Folgen. Die Sache kostet Zeit und Nerven. Statt über die immensen aktuellen Probleme in Deutschland zu schreiben, ist man mit Nachforschungen beschäftigt. Und muss dann – wie ich hier leider in meinem Wochenbriefing – über sich selbst schreiben und berichten, auch wenn man sich selbst nur ungern im Mittelpunkt sieht. Das ist besonders perfide. Und ich würde es für einen Zufall halten, wenn nicht andere Kritiker der Corona-Politik in Scharen ähnliche Erfahrungen gemacht hätten. Leider trauen sich viele aus Scham nicht, darüber zu reden. Das finde ich fatal. Und darum habe ich mich entschlossen, alles öffentlich zu machen.

Ein Merz macht noch keinen Frühling

Aber nun weg von mir. Auf meiner Seite habe ich ja bereits über den CDU-Parteitag und die Rede von Parteichef Merz dort geschrieben. Mir fiel positiv auf, dass er die öffentlich-rechtlichen Sender massiv kritisierte. Über all das, was er nicht aufgriff, schrieb ich nur kurz am Ende meines Beitrags. Inzwischen fürchte ich, dass ich damit die Prioritäten vertauscht habe. Denn das Schweigen von Merz zu dem politischen Hegemonial-Anspruch der Grünen, der Kultur-Revolution, die unsere Regierung anstrebt, dem Glaubenskrieg, den es gegen die Bürgerlichen in diesem Land gibt, die massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit – all das klammerte Merz aus. Im Gegenteil, er sagte, wir hätten Meinungsfreiheit. Ja, auf dem Papier schon. Aber wehe, die Meinung deckt sich nicht mit dem rotgrünen Zeitgeist.

Man könnte nun als Gegenargument anführen, dass Merz eben nur langsam von Merkels Kurs weg kann. Aber ich fürchte, das wäre Augenwischerei. Wunschdenken. Deshalb bin ich schonungslos mit mir selbst: Ich fürchte, ich habe in der Merz-Rede den Strohhalm aufgegriffen – und das Wichtigste zum Nebenaspekt gemacht. Aber Irren ist menschlich. Und wichtig ist, sich selbst kritisch zu hinterfragen und Fehler auch zuzugeben. Genau das vermisse ich übrigens bei den meisten Kollegen von den großen Medien. Oft habe ich den Eindruck, sie würden sich für unfehlbar halten.

Es gäbe noch viel mehr aufzugreifen, aber mein Wochenbriefing ist auch so schon wieder zu lang geworden. Deshalb nur ganz kurz: Mir fällt immer wieder auf, wie viele Berichte zu Karl Lauterbach wir auf der Seite haben. Ich frage mich oft: Ist es nicht zu viel? Dann sage ich mir aber: Solange Lauterbach wesentlich die Corona-Politik in diesem Land bestimmt, solange er wesentlich dazu beiträgt, dass Deutschland einen unfassbaren Sonderweg in Europa geht, solange ist es journalistische Pflicht, seine ganzen Entgleisungen und die Absurditäten, die er liefert, zu vermelden. Umso mehr, als ihn die großen Medien bis auf wenige Ausnahmen enorm schonen.

Die fatale Rolle der Medien

Ich bin mir sicher: Dafür, dass unser Land gegen die Wand gefahren wird, haben unsere Medien eine ganz wesentliche Mitverantwortung. Wenn sie auch nur halbwegs ihrer Aufgabe gerecht würden, die Regierung zu kontrollieren und zu kritisieren, wäre es nicht so weit gekommen. Besonders tragisch daran ist, dass sie gerade im Westen noch von dem Kredit zehren, den professionelle Journalisten über Jahrzehnte erarbeitet haben. Viele Menschen können sich einfach (noch) nicht vorstellen, dass sie von ARD, ZDF, Süddeutscher & Co. indoktriniert statt informiert werden, dass allzu viele statt Journalismus Propaganda betreiben (laut Duden-Definition „systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen“). Doch immer mehr Menschen hinterfragen. Das ist gut so. Aber der bereits angerichtete Schaden ist immens: Der Vertrauensverlust ist – genauso wie gegenüber den anderen Institutionen – schwer und tiefgreifend. Er wird einen demokratischen Neuanfang sehr erschweren. Und birgt die Gefahr einer Radikalisierung – in beide Richtungen, nach Rechtsaußen wie Linksaußen.

Ich lasse mir meinen Optimismus dennoch nicht nehmen. Und ich bin mir sicher: Wir werden eine Vergangenheitsbewältigung erleben. Eine stockende, eine mit Aussetzern, wie wir das kennen. Aber ein „Weiter so“ ist nicht möglich. Vor allem deshalb, weil die Kulturkrieger und Ideologen, die heute die Geschicke unseres Landes bestimmen, nur von dem Kapital und dem (Vertrauens-)Kredit dessen zehren, was ihre Eltern und Großeltern in mühsamer, schwerer Arbeit aufgebaut haben. Dieses Kapital und dieser Kredit halten aber nicht ewig. Sind sie aufgebraucht, wird das Erwachen bitter sein. Und die Suche nach Verantwortlichen wird beginnen. Man kann nur beten, dass sie zivilisiert und friedlich abläuft.

Wie vor Gericht

Juristen sagen, vor Gericht sei es wie auf hoher See: Man ist in Gottes Hand. Genau dieses Gefühl habe ich aktuell auch, was Deutschland angeht. Und mein Urvertrauen möchte ich mir nicht nehmen lassen, weder von Lauterbach, noch von Habeck oder Scholz. Und erst recht nicht von ARD und ZDF.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmal bei allen bedanken, die mich in dieser schweren Zeit unterstützen. Moralisch, mit Gebeten, mit Zuwendungen. Ohne Ihre Hilfe wäre meine Arbeit nicht möglich! Ohne Ihre Hilfe hätte es meine Seite nie auf bis zu 53,7 Millionen Klicks, also Aufrufe, im Monat gebracht. Ich weiß, momentan müssen sehr viele den Gürtel enger schnallen. Alle, die davon betroffen sind, bitte ich explizit, das Wenige, das sie haben, für sich zu behalten. Umso wertvoller und auch wichtiger ist Unterstützung von denen, denen sie nicht weh tut! Ganz herzlichen Dank!

Auf viele Begegnungen auf meiner Seite
Ihr
Boris Reitschuster

PS: Dieses Wochenbriefing hat 49.908 Empfänger! Ich hoffe sehr, beim nächsten Mal erreichen wir die 50.000. Wenn Sie dabei mit einer Empfehlung mithelfen, bin ich Ihnen sehr dankbar!

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!


Bild: Shutterstock
Text: br

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