Ein Polizist packt aus: Innenansichten aus einer zerrissenen Polizei Appell an Kritiker: "Halten wir zusammen, statt uns gegenseitig aufzureiben!"

Nie war die Gesellschaft in der Bundesrepublik so gespalten wie heute. Dicke Gräben ziehen sich quer durch unser Land. Davon betroffen ist auch die Polizei. Wegen des oft harten Durchgreifens bei den Corona-Maßnahmen und gegen Demonstranten sind die Beamten für viele nicht mehr „Freund und Helfer“. Dabei ist die Polizei selbst zerrissen – und Pauschalurteile treffen vor allem die kritischen Beamten schwer. Ein treuer Leser meiner Seite, mit dem ich seit langem im Kontakt bin und der in einer deutschen Großstadt seinen Polizeidienst nach bestem Wissen und Gewissen und mit sehr kritischem und klugem Geist verrichtet, hat mir den folgenden Brief mit hochinteressanten Einblicken in das Innenleben des Polizeiapparats geschickt und mich gebeten, ihn zu veröffentlichen – was ich gerne tue:

Liebe Leser,

kurz zu meiner Person: Als Schutzpolizist in einer deutschen Großstadt habe ich aus meinem Dienstalltag jahrelange Einblicke in das Leben „auf der Straße“. Ich nehme für mich deshalb nicht in Anspruch, im Besitz einer allgemeingültigen Wahrheit zu sein, denke aber, die ein oder andere gesellschaftliche Entwicklung gut beurteilen zu können.

Ich weiß, dass der Ruf des Polizeibeamten, insbesondere bei Konsumenten von Nicht-Mainstream-Medien, in der letzten Zeit sehr gelitten hat (Stichwort „Corona-Demonstrationen“ Anfang August in Berlin).

Ehrlicherweise kann ich diese Sichtweise in vielen Fällen sehr gut nachvollziehen, passen diese Ereignisse nämlich zu meinen alltäglichen Erlebnissen innerhalb der Kollegenschaft.

Ich möchte in dieser emotional sehr aufgeladenen Debatte dennoch darlegen und verdeutlichen, warum Pauschalurteile bereits prekäre Situationen bzw. Entwicklungen sogar noch verschlechtern können.

Worauf möchte ich hinaus? In Leserkommentaren unter Artikeln, welche sich kritisch mit der Polizeiarbeit auseinandersetzen, lese ich oftmals Aussagen wie: „Alle Polizisten sind nur noch Erfüllungsgehilfen einer sich immer autoritärer gebärdenden Politik.“

Diese Gedanken kommen einem Außenstehenden schnell in den Sinn. Aus meiner täglichen Erfahrung kann ich sagen, dass eine Mehrzahl der Beamten stramm auf politisch korrekter Linie agiert und die obige Aussage bei diesen Polizisten mit Sicherheit nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist.

Dennoch ist zu konstatieren, dass durchaus eine nennenswerte Anzahl von Polizeibeamten aus vorgefertigten sowie auferlegten Denk- und Handlungsstrukturen ausbrechen und sich redlich darum bemühen, fragwürdige politische Vorgaben (Stichwort „Corona“) mit großem Augenmaß und im Sinne der Bürger umzusetzen.

AFFLINKSNatürlich kann ich nur über die Erlebnisse in meinem alltäglichen Mikrokosmos berichten, ich hatte jedoch in den letzten eineinhalb Jahren die Möglichkeit, Einblicke in zahlreiche Dienststellen zu erhalten, deren Tätigkeiten nah am Bürger stattfinden. Ich nehme mir deshalb heraus, diese Erfahrungen als exemplarisch zu betrachten.

Die, ich nenne sie im weiteren Verlauf „kritischen Beamten“, hängen ihr Verhalten natürlich nicht immer an die große Glocke, da dies ansonsten problematisch werden könnte.

Um diese Art von Schwierigkeiten zu verdeutlichen, ein kurzer Exkurs in das Innere einer hierarchisch strukturierten Behörde:

Die Politik erlässt eine Verordnung und hochrangige Beamte innerhalb der Polizeibehörde erwarten die strikte Durchsetzung dieser Bestimmungen, belegt durch entsprechende Statistiken. Konkret bedeutet das eine hohe Anzahl von Ahndungen etwaiger Bürgerverstöße durch die Beamten „auf der Straße“.

Direkte Vorgesetzte jener im Bürgerkontakt stehenden Beamten sind überwiegend ebenfalls sehr darauf bedacht, „positive“ (also hohe) Zahlen von Sanktionen nach „oben“ zu melden, um Lob und Anerkennung für ihre polizeiliche Tätigkeit zu bekommen.

Andernfalls kam es in den letzten eineinhalb Jahren bereits vor, dass Vorgesetzte einen Rüffel von höherrangigen Beamten erhielten, da eine angeblich viel zu niedrige Zahl von Verfahren vorlag.

Hervorgehoben werden muss, dass es sich bei den Verstößen gegen die neue(n) Verordnung(en) größtenteils um Ordnungswidrigkeiten handelt und die Polizisten bei diesen nach dem Opportunitätsprinzip – also nach Ermessen – verfahren können. Aber der Druck von oben ist groß, die Maßnahmen strikt durchzusetzen.

Zu dieser Konstellation kommt zumeist erschwerend der persönliche Eifer vieler Polizisten (egal welchen Ranges) hinzu. Bei einer großen Anzahl von Beamten sind die von Medien und Politik geschürte Panik sowie die entsprechenden Dogmen nahezu vollumfänglich ins eigene Bewusstsein übernommen worden. Wie entsprechende Sachverhalte im polizeilichen Alltag abgehandelt werden, kann man sich vorstellen….

Dieses für einen „kritischen Beamten“ nicht einfache Arbeitsklima wird von vielen Bürgern weiter verschlechtert: Gerade in Hochzeiten der Corona-Politik war Denunzieren und Verpetzen ein neuer Volkssport und viele Personen ließen bei der Kontaktaufnahme mit der Polizei auch keinen Zweifel daran, dass eine sehr harte und konsequente Durchsetzung der Corona-Maßnahmen gewünscht ist (oftmals gepaart mit abfälligen Äußerungen über die sich „asozial verhaltenden Delinquenten“).

Man muss also als Polizist und Mensch schon sehr gefestigt und idealistisch sein, um sich davon nicht unterkriegen zu lassen.

Dabei geht es den „kritischen Beamten“ innerhalb des Polizeidienstes, das will ich unterstreichen, mitnichten um eine Schleifung des geltenden Rechts. Vielmehr steht für sie das in der Polizeiausbildung oder im Polizeistudium erlernte Wissen über das objektive und verhältnismäßige polizeiliche Handeln im Vordergrund.

Das bedeutet eben nicht, Ordnungswidrigkeiten und natürlich Straftaten inkonsequent zu verfolgen, sondern lageangepasst die richtigen und angebrachten Maßnahmen anzuwenden. Und dass das polizeiliche Agieren und die Umsetzung geltenden Rechts auch butterweich vonstattengehen können, wissen viele Leser längst: Stichwort „Drogenhandel am Görlitzer Park“.

Ein gefestigter Charakter bedingt hier verhältnismäßiges Handeln auch in komplexen Situationen. Und es gibt einige Polizisten, die diese Eigenschaften verkörpern, trotz des beschriebenen Konformitätsdrucks.

Wenn diese Polizisten nun von Bürgern, die im Ergebnis ähnliche freiheitliche und am Gemeinwohl orientierte Ansichten haben, mit Pauschalurteilen belegt werden, kann dies zwangsläufig zu einer starken Frustration sowie Desillusionierung führen.

Natürlich sollte man sein Handeln als Polizist niemals an gesellschaftlichen Stimmungen orientieren. Allerdings kann es ernüchternd sein, wenn man als Polizeibeamter, der täglich gegen Widerstände agieren muss, auch noch von jenen Personen angefeindet wird, die grundsätzlich für die gleichen Werte des demokratischen Miteinanders einstehen bzw. kämpfen.

Es kann dadurch schnell eine gewisse Verbitterung entstehen, die zum „Dienst nach Vorschrift“ und zu einem Weg des geringsten Widerstandes im Dienstalltag führt. Tatsächlich lohnt es sich für diese Polizisten kaum noch, den fortwährenden inneren Konflikt beizubehalten.

Dies kann nicht im Sinne kritisch eingestellter Bürger sein: Soll denn der betreffende Beamte weiter abstumpfen, während der stramm auf Durchsetzung der Verordnung gepolte Kollege durch diese Pauschalurteile in seiner ablehnenden Haltung noch bestätigt wird und gleichzeitig weiter „Futter“ für seine tunnelblickartigen Gedankengänge erhält?

Folgender Kommentar ist dafür exemplarisch:

„Die Polizisten sollten sich während des Dienstes öffentlichkeitswirksam einer Demonstration anschließen oder sich lautstark an prominenter Stelle äußern und sich gegen die Maßnahmen stellen. Aber leider haben sie dafür nicht den A… in der Hose und wollen nur ihre eigene finanzielle Sicherheit erhalten. Genauso sollten sie mal den Mut haben, sich in Artikeln nicht hinter Pseudonymen zu verstecken.“

Leider ist hier der Hang zum Populismus nicht zu bestreiten. Natürlich spielen finanzielle Aspekte bei einer Vielzahl von Beamten eine große Rolle (Hände hoch, für wen das kein Thema ist).

Aber dennoch stelle ich mir auch hier die Frage, was dem skeptischen Bürger lieber ist? Ein den Aspekten der Verhältnismäßigkeit und Bürgernähe dienender Polizist, der sich plakativ öffentlich äußert und danach seinen Job verliert, oder ein Polizist, der betreffende  Verhältnismäßigkeit und Bürgernähe bestmöglich in seinem täglichen Dienst umsetzt und auch auf Kollegen mäßigend einwirken kann, ohne großes Aufheben darüber zu machen?

Nur weil jene Polizisten ihr Handeln nicht publik machen, schließt das nicht aus, dass eine relevante Zahl von ihnen aktiv im Dienst steht. Eventuell wird der Leser, sofern er bereits Kontakt mit der Polizei hatte, erlebt haben, dass es nicht „den“ Polizisten und durchaus Unterschiede in der Handhabung von Sachverhalten gibt.

Ein den Maßnahmen kritisch gegenüberstehender Beamter (speziell jener mit entsprechender Erfahrung oder einem gewissen Rang) kann durch seine Handlungen zum Leitbild werden, ohne dass er dafür jeden Tag demonstrativ in einen Konflikt mit Vorgesetzten oder politisch korrekten Kollegen treten muss.

Dass diese Signalwirkung natürlich nicht bei allen Kollegen möglich ist, liegt auf der Hand. Letztlich kommt es auf die kleinen Momente an, wo Polizeibeamte sich für den Bürger und das soziale Zusammenleben in unserem Land einbringen, und nicht auf jene Momente, wo man sich in Scheinkämpfen erschöpft.

Das bedeutet ausdrücklich nicht, in geeigneten Momenten nicht auch mal lautstark Widerspruch zu äußern, wenn die Chance besteht, positiv zu wirken. Eine kontraproduktive Situation würde entstehen, wenn ein vom Bürgerkontakt entzogener kritischer Beamter durch einen Polizisten ersetzt wird, welcher stramm auf Linie ist.

Darüber hinaus sind die Signalwirkungen einer mutmaßlich harten Bestrafung des sich öffentlich äußernden Beamten innerhalb des Kollegenkreises nicht zu verachten (Stichwort „Bestrafe einen, erziehe Hundert“). Dies alles kann also nicht wirklich im Sinne eines Bürgers sein, welcher der gesellschaftlichen Entwicklung kritisch gegenübersteht.

Ich kann mir sehr gut das Gefühl der Ohnmacht vorstellen, wenn man Aufnahmen oder Bilder sieht, die mutmaßlich unzulässige Polizeigewalt zeigen. Was ich mit diesem Text jedoch verdeutlichen will ist, dass eben auch bei diesen unschönen Bildern nur ein gewisser Teil von Polizeibeamten und deren Arbeit beleuchtet wird und die Quintessenz aus den Aufnahmen nicht sein kann, in Schwarz-Weiß-Muster zu verfallen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sehe die komplette Lage Deutschlands, und zwar in fast allen Bereichen, wie die meisten Abonnenten dieser Seite sehr kritisch.

Aber gerade deshalb sollten diejenigen, die sich einer Atomisierung des Zusammenhalts in Deutschland entgegenstellen wollen, versuchen, jeden Tag mit gutem Beispiel voranzugehen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten jene Werte zu verkörpern, die für das freiheitliche und soziale Zusammenleben in Deutschland unentbehrlich sind.

Die Übernahme des in diesem Land weit verbreiteten Spaltungsverhaltens wäre letztlich nur im Sinne der Personen, welche eine nachhaltige Schwächung Deutschlands auf ihrer Agenda haben.

Zeitnah werden wir – davon gehe ich aus – den Beginn einer für Deutschland noch fataleren Bundesregierung erleben. Die Folge wird sein, dass die Risse innerhalb der Bevölkerung weiter
voranschreiten und sich immer mehr gesellschaftliche Gruppen gegeneinander positionieren werden.

Halten wir also zusammen, statt uns gegenseitig aufzureiben!

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
Bild: Shutterstock
Text: Gast

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