Emilia Fester und ihr Leben in der Ich-Perspektive Grüne-Abgeordnete sieht ihr Bundestagsmandat als „Opfer“

Von Kai Rebmann

Emilia Fester (Grüne) spricht am liebsten über sich selbst. Die jüngste Abgeordnete des 20. Deutschen Bundestags hatte bei politischen Beobachtern bereits am 17. März 2022 mit einem Plädoyer für die Impfpflicht ab 18 Jahren für Kopfschütteln gesorgt. Im ersten Teil ihrer Rede begannen gleich sechs Sätze mit dem Wort „Ich“. Fester klagte damals: „Ich habe innerhalb der vergangenen zwei Jahre aus Vorsicht und aus Rücksicht das Folgende nicht gemacht: Ich war nicht in der Uni. Ich war nicht im Ausland. Ich habe kein Museum und auch kein Festival besucht. Ich habe nicht mal eine Person, die ich noch nicht kannte, geküsst oder meinen Geburtstag gefeiert. Ich war verdammt noch mal nicht einmal im Klub, kein Tanzen, Feiern und all das, was ich so vermisse.“ Abgesehen davon, dass sich Teile dieser Behauptungen im Nachhinein als Lüge herausgestellt haben und ob es wirklich eine unzumutbare Härte ist, Fremde nicht küssen zu können, stellte Fester damit vor allem eines unter Beweis: Emilia Fester geht es in erster Linie um Emilia Fester.

Die gebürtige Hildesheimerin wurde von den Hamburger Grünen auf Platz 3 der Landesliste nominiert und damit quasi ohne eigenes Zutun in den Bundestag „gehievt“. Wie schlecht es Fester dort geht, erzählte sie Mitte Mai dem Spiegel. Einmal mehr Mittelpunkt des Interviews – Emilia Fester. „Letztendlich opfere ich auch meine eigene Jugend für diesen Job auf“, klagte Fester über ihr Schicksal als Bundestagsabgeordnete mit einer 80-Stunden-Woche. Freizeit habe sie so gut wie keine mehr. Dass dieser „Job“ mit einem monatlichen Salär von über 10.000 Euro entlohnt wird, scheint für die 24-jährige „Jugendliche“ kein angemessener Ausgleich zu sein.

Jetzt legte Fester mit einem infantilen Tanzvideo auf Tik Tok nach, das sie zusammen mit ihren beiden Fraktionskolleginnen Marlene Schöneberger und Saskia Lea Raquel Weishaupt zeigt. Das Trio tanzt sich durch die Hauptstadt und wenn man es nicht besser wüsste, würde man als Zuschauer dieses skurrilen Videos nicht auf die Idee kommen, dass es sich bei den drei Selbstdarstellerinnen um Abgeordnete des Deutschen Bundestags handelt. Natürlich sei es Fester gegönnt, ihre Freizeit so zu gestalten, wie immer sie das möchte. Solche Videos aber nur wenige Tage nach einem Interview zu veröffentlichen, in dem sie sich als „Opfer“ darstellt und beklagt, dass sie eben diese Freizeit gar nicht mehr habe, muss nicht zwangsläufig bei jedem Wähler und Steuerzahler gut ankommen. Christoph de Vries (CDU) erinnerte Fester via Twitter daran, dass ein Bundestagsmandat eine große Ehre sei, zu der sie niemand gezwungen habe. Zudem glaube er, dass „die Bürger ein Bundestagsmandat, das mit rund 10 000 Euro monatlich honoriert wird, nicht als Opfer“ betrachten. Mit dieser Einschätzung könnte der CDU-Politiker durchaus richtig liegen.

Infantilisierung in Politik und Gesellschaft nimmt erschreckende Ausmaße an

Der Bundestag ist immer auch ein Abbild der Gesellschaft, da dessen Vertreter zumindest teilweise direkt vom Volk gewählt werden – oder eben von ihrer Partei über die Landesliste dort installiert werden. Was dabei herauskommen kann, belegt aktuell der Fall Emilia Fester. Die Polit-Novizin aus dem Norden ist jedoch nur eines von vielen alarmierenden Beispielen für die fortschreitende Infantilisierung des Bundestags aus der jüngeren Vergangenheit. FDP-Chef Christian Lindner monierte bereits im April 2020, dass er manchmal den Eindruck habe, „die Regierung spricht zu ihrem Souverän, den Bürgerinnen und Bürgern, wie zu Kindern.“ Damit bewies er geradezu hellseherische Fähigkeiten, was die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Ende Oktober 2020 deutlich machen sollte. Während einer Regierungserklärung trat Merkel im Stile einer Lehrerin auf, die ihren frisch eingeschulten Erstklässlern erklärt, wie sich das Corona-Virus unter den Menschen verbreitet.

Um den Bundestagsabgeordneten die Sicht des Virus zu verdeutlichen, sagte Merkel: „Ich habe hier den perfekten Wirt. Diese Menschen, die leben auf dem ganzen Planeten, die sind global stark vernetzt, sind soziale Lebewesen. Die können also nicht ohne soziale Kontakte leben, die sind hedonistisch veranlagt, die gehen gerne feiern. Also besser kann es gar nicht sein.“ Daraufhin wechselte Merkel in die Perspektive des Menschen: „Nee, Virus, hast du denn gar nichts aus der Evolution gelernt? Da haben wir Menschen ja schon mehrfach gezeigt, dass wir verdammt gut darin sind, uns in schwierigen Situationen anzupassen. Wir werden dir zeigen, dass du dir den falschen Wirt ausgesucht hast.“ Solche Absurditäten wären im Deutschen Bundestag noch vor wenigen Jahren wohl undenkbar gewesen.

Kanzler-Triell im Klassenzimmer

Aber auch Teile der großen Medien scheinen ihre Konsumenten inzwischen für nicht mehr selbst denkende Bürger zu halten. Kurz vor der Bundestagswahl 2021 mussten sich die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) auf Sat1 und Pro7 vorführen lassen, als ihnen Fragen von Kindern gestellt wurden. In der Sendung „Kannste Kanzleramt“ (Sat1) wollten die Schüler, dass Baerbock ihnen etwas vorsingt und auf Pro7 wurden den Kanzlerkandidaten von den Kindern offensichtlich eingeflüsterte Fragen gestellt. So wollte der „Interviewer“ Romeo von Laschet seine Meinung zur Räumung des Hambacher Forsts wissen oder ob er Hans-Georg Maaßen für einen Nazi halte. Die typischen Fragen eines Elfjährigen halt.

Emilia Fester scheint aber nicht die einzige Abgeordnete des Bundestags zu sein, die der Würde dieses Mandats nicht gerecht wird. Im März meldete sich Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ebenfalls via Tik Tok aus ihrer Corona-Quarantäne. Sie präsentierte eine Playback-Version des Kinderlieds „Ich schaff‘ das schon“ aus der Feder von Rolf Zuckowski, mit dem sie sich offenbar selbst Mut zusprechen wollte. Nachdem sie in den sozialen Netzwerken darauf hingewiesen worden war, dass ein solch infantiler Auftritt einer Bundestagspräsidentin unwürdig ist, musste Bas zurückrudern und sich bei ihren Wählern entschuldigen.

Die Abgeordneten des 20. Deutschen Bundestags sind so jung wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Durchschnittsalter lag zu Beginn der Legislaturperiode bei 47,3 Jahren. Die mit Abstand jüngste Fraktion sind die Grünen (42,5 Jahre), gefolgt von der SPD (46,2 Jahre). Sind Auftritte wie jene von Emilia Fester, Marlene Schöneberger, Saskia Lea Raquel Weishaupt und Bärbel Bas also nur die logische Folge einer Politik, in der es bei der Besetzung von Spitzenämtern nur noch um Alters- und Frauenquoten geht? Mit einer Änderung dieser Zustände wird wohl erst wieder zu rechnen sein, wenn stattdessen endlich wieder die fachliche und persönliche Qualifikation von Politikern in den Vordergrund gerückt wird.

David
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock
Text: kr

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