Polizei vor der Tür – was tun, wenn Ihre Wohnung durchsucht wird? „Handlungs-Leitfaden“ von einem erfahrenen Juristen

Von Ekaterina Quehl
"
Stellen Sie sich vor, es ist 6 Uhr morgens. Sie sind gerade aufgestanden, latschen schläfrig in die Küche, um sich Ihre erste Tasse Kaffee zu machen. Sie tragen noch Ihren Pyjama und wollen gleich Ihre Kinder wecken. Ihre Gedanken kreisen um Einkäufe fürs Wochenende, um eine bevorstehende Geburtstags-Party, Elternabend in der kommenden Woche, Wäsche und Wetter. Und darum, ob Sie es vielleicht schaffen, noch eine zweite Tasse Kaffee zu trinken, bevor Sie Ihre Kinder zur Schule bringen.

Und plötzlich klingelt es an der Tür.

Sie machen auf und es ist Polizei. Sie hat einen Durchsuchungsbeschluss und will in Ihre Wohnung rein. Sie stehen unter Schock, sind verwirrt und machen sich große Sorgen um Ihre Kinder. Und das Schlimme ist: Sie haben keinen blassen Schimmer, worum es geht. Was machen Sie?

Leider ist das keine Schreckensvision mehr im besten Deutschland aller Zeiten. Razzien, Polizeibesuche, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Disziplinarmaßnahmen gegen Regierungskritiker und Andersdenkende sind schon längst ein beunruhigender Trend geworden (siehe unsere Berichte hier, hier, hier und hier). Uns haben zahlreiche besorgte Fragen von Lesern erreicht, wie man sich am besten verhalten soll, wenn bei einem eines Tages Polizei vor der Tür steht. Wir haben diese Fragen dem bayerischen Rechtsanwalt Josef Hingerl gestellt. Der promovierte Anwalt hat schon während der Corona-Zeit Maßnahmen der Regierung und das Vorgehen der Justiz scharf kritisiert und ist selbst dagegen vorgegangen. Besonders laut kritisierte er den Missbrauch von Hausdurchsuchungen zur politischen Einschüchterung (siehe hier). Lesen Sie hier nun seine wertvollen Ratschläge.

Frage: Wie verhält man sich, wenn plötzlich bei einem die Polizei vor der Tür steht, einen Durchsuchungsbeschluss hat und man erst mal gar nicht weiß, worum es geht? Was macht man als Erstes?

Josef Hingerl: In der Regel erscheinen früh morgens, oft schon um 6:00 Uhr, mehrere Beamte an der Haustür. Das ist zunächst einmal ein Schock, weil in der Regel auch die Nachbarn vom Vorgang Kenntnis erhalten und die Betroffenen und möglicherweise die gesamte Familie noch schlaftrunken sind.

Grundsätzlich bestehen keine Möglichkeiten, die Hausdurchsuchung zu vermeiden.

Daher ist es ratsam, die ganze Aktion über sich ergehen zu lassen. Es ist ganz wichtig, dass die Betroffenen ruhig bleiben. Fast so wie in der Natur, wenn sich ein unterlegenes Tier einem mächtigen Angreifer gegenübersieht. Es verfällt dann in der Regel in eine Starre, um möglichst wenig auffällig zu sein.

Frage: Manche Leser gaben Ratschläge, dass es sehr wichtig sei, egal, was passiert, einfach gar nichts zu sagen oder immer wieder auf den Anwalt zu verweisen. Ist es dies richtige Strategie?

Josef Hingerl: Es ist empfehlenswert, sich kooperativ zu verhalten. Das gilt aber nur bezüglich der Durchsuchung.

Frage: Wie wäre das korrekte Verhalten der Polizei in so einer Situation und gibt es etwas, was man selbst unbedingt vermeiden sollte, damit man sich eventuell nicht zusätzlich belastet?

Josef Hingerl: Es soll versucht werden, einen Anwalt zu erreichen oder auch nahe Angehörige, die psychologisch Hilfe leisten können. Das wird aber oftmals verwehrt. Unbedingt einzuhalten ist die Grundregel, zur Sache nichts zu sagen, egal wie freundlich die Beamten sind. Die Betroffenen sollen versuchen, selbst freundlich zu den Beamten zu sein, wenn dies in der Situation möglich ist. Die Beamten haben ihren Auftrag, den sie durchführen müssen.

Frage: Eine Leserin hat erzählt, sie ließ sich nach der „Ermutigung“ eines Beamten zu einer Aussage hinreißen. Dürfen Polizisten überhaupt eine Aussage zur dem Vorwurf verlangen oder Druck ausüben, damit man eine Aussage macht?

Josef Hingerl: Ein Druck zu einer Aussage ist absolut unzulässig.

Frage: Dürfen Polizisten Smartphone und andere elektronische Geräte beschlagnahmen?

Josef Hingerl: Es kann nur das beschlagnahmt werden, was im Durchsuchungsbeschluss steht. Es ist daher wichtig, sich den Durchsuchungsbeschluss aushändigen zu lassen und diesen in Ruhe zu lesen.

Frage: Ist ein solches Vorgehen der Polizei bei so einem Vorwurf wie kritische Facebook-Posts insgesamt verhältnismäßig?

Josef Hingerl: In der Durchsuchungssituation selbst ist eine Überprüfung, ob der Durchsuchungsbeschluss verhältnismäßig ist, nicht möglich. Hier muss gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

Nach einer Hausdurchsuchung sollte sofort ein Strafverteidiger konsultiert werden, wenn das nicht schon während der Hausdurchsuchung möglich ist. In der Regel wird man aber zu so früher Stunde einen Strafverteidiger nicht erreichen. In der Regel sind die Betroffenen in der Durchsuchungssituation sowieso völlig unvorbereitet. Also deshalb nochmals zum Schluss: Unbedingt Ruhe bewahren und sich keinesfalls provozieren lassen.

Meine Seite braucht Ihre Unterstützung!

Wenn Sie weiter Artikel wie diesen lesen wollen, helfen Sie bitte mit! Sichern Sie kritischen, unabhängigen Journalismus, der keine GEZ-Gebühren oder Steuergelder bekommt, und keinen Milliardär als Sponsor hat. Und deswegen nur Ihnen gegenüber verpflichtet ist – den Lesern!

1000 Dank!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre:

Über diesen Link

Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71 oder BE43 9672 1582 8501

BITCOIN Empfängerschlüssel auf Anfrage

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video

Stinke-Socken vom Vorgänger und Fenster-Öffnungs-Verbot – „Dschungelcamp“-Gefühle im Berlin-Urlaub.

Mein aktueller Livestream

Wie Habeck über Stalins Schnurrbart stolperte – und Esken sich dringt verriet.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Ekaterina Quehl ist gebürtige St. Petersburgerin, russische Jüdin und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Pioniergruß, Schuluniform und Samisdat-Bücher gehörten zu ihrem Leben wie Perestroika und Lebensmittelmarken. Ihre Affinität zur deutschen Sprache hat sie bereits als Schulkind entwickelt. Aus dieser heraus weigert sie sich hartnäckig, zu gendern. Sie arbeitet für reitschuster.de.

Bild: Shutterstock

Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.

Mehr von Ekaterina Quehl auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert