Wir leben in verrückten Zeiten. Das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist heute schon ein Grund zur Freude. Und sorgt für Erleichterung. Sie erinnern sich vielleicht noch, dass ich hier wiederholt von Problemen mit der Polizei berichtet habe. Die hielt mich bei der Ein- und Ausreise nach Deutschland auf, befragte zweimal meinen Hausmeister und guten Freund in Berlin, einmal auch noch vor kurzem, längst nach meinem Wegzug, und selbst engen Familienangehörigen stellten die Ermittler Fragen. Was das in der Nachbarschaft, im Freundeskreis und in der Familie auslöst, können Sie sich vorstellen.
In allen Fällen war mir das Motiv für den Eifer der Polizei nicht ersichtlich. Bei den Nachforschungen 2021 hieß es, man habe meine Adresse ausfindig machen müssen. Dabei war ich ordnungsgemäß in Berlin gemeldet, und sämtliche Behördenpost kam wunderbar an. In diesem Herbst ging es von vorne los. Während ein Strafzettel wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von sage und schreibe 6 (in Worten: sechs) Stundenkilometern ebenso problemlos an meiner neuen Adresse in Montenegro ankam wie ein polizeiliches „Auskunftsersuchen“ wegen Kommentaren auf meiner Seite per Mail. Auch die Kommunikation mit der Pressestelle der Berliner Polizei klappt problemlos. Insofern ist es also ein Rätsel, weswegen die Beamten dann Freunde und enge Verwandte in Augsburg und Berlin nach mir befragten, mit dem Hinweis, es gehe um eine „Straftat“. Juristen, mit denen ich darüber sprach, konnten sich das nur damit erklären, dass man mich einschüchtern wollte.
Im Fall der Nachforschungen von 2021 erfuhr ich erst vor rund einem Jahr, was mir vorgeworfen wurde. Und auch nur ungefähr. Erst Anfang dieses Jahres bekam ich einen Anhörungsbogen der Polizei als Beschuldigter. Anhand des „Tatdatums“ und des Tatvorwurfs – „Verleumdung“ – gehe ich davon aus, dass mich der WDR angezeigt hat und es um einen Beitrag über Gerüchte im Internet ging, wonach zwei WDR-Mitarbeiter mit einer Reichsflagge zu einer Demonstration gegangen sein sollen. Ich berichtete von Anfang an, dass ich die Gerüchte für falsch hielt, und konnte dann sogar exklusiv die Vorwürfe gegen den WDR widerlegen. Eigentlich hätte der Sender mir mal danke sagen können. Stattdessen kam die Polizei.
Kein Zensor
In einem zweiten Ermittlungsverfahren – der Anlass für die Polizei-Befragung des nahen Verwandten und des früheren Hausmeisters – wurde mir „Androhung von Straftaten und Störung des öffentlichen Friedens“ im Mai 2021zur Last gelegt. Wofür bis zu fünf Jahren Gefängnis drohen. Anders als von mir ursprünglich angenommen, ging es dabei nicht um den Gastbeitrag „Digitaler Impfpass: Ein Fest für Fälscher. Das soll sicher sein!?“ des früheren Pro7 und n-tv-Korrespondeten Robert von Loewenstern. Sondern um einen Gastbeitrag einer Kollegin aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter dem Titel: „Gefälschte Impfausweise – ziviler Ungehorsam in Zeiten der heraufziehenden Diktatur?“ Ein Text, der sehr meinungsstark und provokant ist – aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Meine Aufgabe als Journalist sehe ich nicht darin, streitbare Kollegen zu zensieren.
Mitte November, fast ein Jahr, nachdem ich zum ersten Mal selbst konkret erfuhr, was mir vorgeworfen wurde, und mehr als zwei Jahre nach der vermeintlichen „Tat“ bekam ich die Nachricht von der Staatsanwaltschaft Berlin, dass das Ermittlungsverfahren wegen „Verleumdung“ eingestellt wurde. Jetzt kam zeitnah ein zweiter Brief von der Staatsanwaltschaft Berlin hinterher. Auch das Ermittlungsverfahren Androhung von Straftaten und Störung des öffentlichen Friedens wurde eingestellt. Rund anderthalb Jahre nach dem vermeintlichen Tatzeitpunkt.
Mein Anwalt Norman Gelbart hatte von Anfang an daran geglaubt, dass beide Verfahren eingestellt werden. Weil er die Vorwürfe für ganz offensichtlich nicht zutreffend hielt. Andere Juristen nannten die Vorwürfe absurd. Ich selbst war nicht ganz so optimistisch wie sie. Weil mein Vertrauen in den Rechtsstaat massiv gelitten hat.
In diesen beiden Fällen hat der Rechtsstaat aber, wenn auch spät, funktioniert. Wie und auf welchen Pfaden auch immer. Entscheidend ist erst einmal das Resultat.
Unschöne Bilanz
Was bleibt zurück? Ein schales Gefühl. Viele Nerven und große Aufregung bei Freunden und in der Familie.
Das Wissen, dass es weder eine Entschädigung geben wird, noch Wiedergutmachung. Und stattdessen das übliche Framing. Das Zentralorgan der „Wokeness“, Wikipedia, und die anderen Diffamierungs-Maschinen können nun schreiben, dass gegen mich ermittelt wurde. Das – und die Vorwürfe – bleiben dann hängen. Dass die Ermittlungen eingestellt wurden, dass also die Vorwürfe haltlos waren – das kann man im Kleingedruckten verstecken, in einer Fußnote.
So geht Rufmord. Er erfolgt auf Raten. Regelmäßig. Mit Methoden, die man aus der Geschichte kennt. Nur dass die Rollen von anderen Darstellern besetzt und neu benannt werden. Die Hetzer bezeichnen sich heute etwa als „Faktenchecker“ oder „Fernsehkomiker“. Sie nutzen als Tarnung öffentlich-rechtliche Anstalten oder steuerfinanzierte „Nichtregierungsorganisationen“. Der neue Pranger heißt „Wikipedia“ oder „ARD-Dokumentation“. Später werden sie ihre Hände in Unschuld waschen und im Handumdrehen auch vor dem neuen Zeitgeist wieder Männchen machen. Und die Drahtzieher werden weiter an den Schalthebeln sitzen, nur mit neuer Lackfarbe.
Danksagung
Ich habe an dieser Stelle meinem wunderbaren Anwalt Norman Gelbart zu danken. Juristisch brillant und menschlich bereichernd hat er mich durch diesen Sturm und aus ihm heraus geführt. Zu danken habe ich auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Ohne Ihre Unterstützung – moralische wie materielle – hätten mir wohl Kraft und Motivation gefehlt, weiterzumachen.
Ich bin mir bewusst, dass die Angriffe weitergehen.
Doch so sehr sie an den Kräften zehren: Sie sind auch eine Bestätigung dafür, dass meine Arbeit Wirkung hat. Sonst würde sie schlicht ignoriert werden.
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