Will Ulf Poschardt Anführer einer liberalen Revolution sein? Die Elfenbeintürme hissen schon die FDP-Flaggen

Von Alexander Wallasch

Wie unangenehm samt Fremdschamfaktor ist eigentlich, was Welt-Chefredakteur (WeltN24) Ulf Poschardt jetzt nach der Bundestagswahl der FDP als Blumenstrauß anreichte? Dieser Christian Lindner unter den Journalisten – vollkommen wurscht, ob Poschardt das jetzt als Lob oder Beleidigung auffasst – dieser Welt-Lindner meint, dass es für einen Journalisten nach der Wahl okay ginge, den Wasserträger für die FDP zu geben. Geht es aber ganz und gar nicht.

Aber weil es sich ja um Ulf Poschardt handelt, ist er zuallererst Wasserträger in eigener Sache. Gestern muss der Springer-Mann vor Glück über die gewichtige Rolle der FDP bei den Sondierungsgesprächen einen Höhenflug gehabt haben, der ihn deutlich zu nahe an die Sonne brachte: Ulf Poschardt als Ikarus mit folgendem überheblichen und sachlich vollkommen verqueren Statement zur eigenen Rolle:

„Die Streberkinder aus gutem Elternhaus, die sich die linke Rebellion leisten können, geben den niedlichen Ton an – und wäre da nicht die Welt-Gruppe, also wir, es hätte kaum Orte gegeben, an denen sich diese freche Neugier auf einen mutigen kämpferischen, wenig orthodoxen Aufstand gegen den Status quo abbildet.“

Ja, es ist so lächerlich, wie es klingt: Poschardt schwingt sich in diesem tollkühnen Moment des Realitätsverlustes dazu auf, die schon traditionell traurige Rolle der FDP als Sammelbewegung der Unentschlossenen, als profillose Abstauber- und Klientelpartei irgendwie in etwas Revolutionäres umzumünzen, das jetzt bei einem Teil der jungen Erwachsenen als so etwas wie eine Gegenbewegung erkennbar wäre.

Aber wie tief muss das Trauma bei Poschardt eigentlich sitzen, dass er seine eigene Faserland-Sylt-Jugendhaltung und diese kindische dauerhafte Porsche-Affinität jetzt nachgereicht adeln will mit einer revolutionären FDP, der er sich immer noch zugeneigt sieht?

Aber noch viel frecher ist Poschardts Versuch, die „Welt-Gruppe“ zur Speerspitze der Medien zu machen, quasi als Stichwortgeber einer außerparlamentarischen Opposition im Land. Das ist halbseiden schon deshalb, weil Poschardt den Erfolg der neuen Medien kennt, weil er insbesondere – das sage ich ganz uneitel – auch meine Arbeit der letzten Jahre kennen muss, die online in Deutschland zu den meistgelesenen gehört. Nein, nicht die Welt-Gruppe ist der Ort der Vierten Gewalt gewesen seit 2015 – die Verteidigungsanlagen der Demokratie standen bei neuen Medien wie Reitschuster und auch jenem, dem der Autor hier seine DNA in weit über 1.500 regierungskritischen Artikeln eingegeben hat.

Wie sehr muss ein Poschardt eigentlich FDP sein und was sagt das über diese Partei eigentlich aus, wenn es ihren Protagonisten so gut gelingt, die eigene Rolle auf diese verzerrte Art und Weise zu erkennen und überzubewerten? Poschardt war es, der einen Don Alphonso zu sich holte, wohl wissend, wo die Vierte Gewalt zu Hause ist, ebenso wie „Die Welt“ zunächst Matussek und dann Birgit Kelle eine Heimat geboten hatte, um sich, als es dann zur Sache ging, mit vollen Hosen zu trennen oder die Autoren hinter der Bezahlschranke zu verstecken.

Aber man kann nicht jeden aufrechten Journalisten aufkaufen, um ihn dann im Keller zu verstecken. Der Autor dieses Beitrags hat es an anderer Stelle selbst erlebt, dass Poschardt-kritische Artikel gerne mal zurückgehalten wurden. Ja, auch bei den neuen Medien will man es sich mit dem Chefredakteur nicht verscherzen, es könnte ja sein, dass noch einer dieser hochdotierten Plätze frei ist im Keller hinter der Bezahlschranke.

Nein, diesen aus Verlegenheit FDP wählenden jungen Menschen irgendeine revolutionäre Haltung zur unterstellen, ist nicht einmal ein kühner Gedanke, es zeigt vor allem, wie sehr sich dieser Welt-Chef in den letzten Jahren selbst aus der Umlaufbahn geschossen hat – dort oben in der x-ten Etage bei Springer hat man die Jalousien heruntergelassen, man will alleine sein in einer Welt von gestern.

Die Ära der Ulf Poschardts ist lange schon vorbei und er weiß es wahrscheinlich längst selbst: Die Bedeutung solcher Medienmacher wird noch schneller verschwinden als das benzinbetriebene Auto. Aber noch schießt der Springer-Konzern Geld hinein, diese anachronistischen Elfenbeinturmartisten künstlich am Trapez zu halten, auch wenn die Luft da oben immer dünner wird.

Nein, die Poschardts der Republik sind auch keine Hoffnungsträger, wenn es darum geht, der grünen Ideologie etwas entgegenzusetzen. Diese FDP-Klientel ist sich selbst am nächsten, nicht das Befinden des schwächsten Glieds in der Gesellschaft steht im Fokus dieser Menschen, sie betrachtet die Welt immer über ihren Bauchansatz hinweg, die jeweilige persönliche Wohlstandspeckrolle diktiert die politische Agenda. Und diese Menschen glauben auch, sie lebten unter einer eigenen Sonne, vergessen dabei aber, dass der Sonnenbrand am Ende derselbe für alle sein wird.

Die Freiheit des anderen interessiert nicht, die Übergriffe gegen die Kollegen der neuen Medien und ihre Portale werden ignoriert, die anderen dürfen die Drecksarbeit machen, während man sich darüber erregt, dass die Fleischgerichte in der Springer-Kantine womöglich weniger geworden sind – oder wo auch immer der persönliche Horizont schon fremdbestimmt verschoben wurde.

Ulf Poschardt staubt aber auch im eigenen Hause ab: Er hat miterlebt, was sein Springer-Kollege, Bild-Chef Julian Reichelt, sich bei den neuen Medien abgekupfert hat und will jetzt auch. Aber Reichelt bringt immerhin noch den Charme des Straßenjungen mit – wo er den auch immer hergezaubert hat. Reichelt kommt mit der Faust, Poschardt mit dem abgespreizten kleinen Finger aus dem Henkel des Teetassenporzellans – so gespreizt soll er übrigens auch Porsche fahren, wenn’s wahr ist.

Was war mit Julian Reichelt? Der hatte in einem Interview die Blaupause geliefert für Poschardts Unsinn von Springer als alleinigem, der Vierten Gewalt verpflichteten Ort: „Ich glaube, dass tatsächlich sehr viele relevante Entwicklungen in der Coronakrise tatsächlich nur noch bei Bild stattgefunden haben.“ (…) Es haben halt große Teile der deutschen Medien einfach sich während der Corona-Krise dem Bereich Propaganda zugewandt.“

Fazit und Nachricht an Poschardt & Co also: Die Vierte Gewalt sind wir. Ihr habt uns diese Rolle indirekt zugewiesen, als ihr gemeinsame Sache gemacht habt mit den Etablierten, als ihr entdeckt habt, wie komfortabel eure Rolle als Teil dieses polit-medialen Komplexes sein kann. Aber dann sind euch die Leser weggeblieben – das Ergebnis sind so peinliche Meinungsartikel wie der jetzt von Ulf Poschardt unter der Überschrift: „Grüne Propaganda lässt die unangepasste Jugend unbeeindruckt.“

Schreibt Ulf Poschardt, bei Springer als einer der Steigbügelhalter dieser grünen Propaganda – aber auch den hält er nur mit abgespreiztem Finger, am liebsten möchte er nämlich vor alldem seine Ruhe haben, wie Spiegelerbe Jakob Augstein, der sich aus dem Meinungsgeschäft längst zurückgezogen hat – aber der kann es sich leisten. Hat Poschardt seine Komfortzone noch nicht erreicht, dass er weiter einen solchen Unsinn publizieren muss? 

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

Bild: Claudio Divizia/Shutterstock
Text: wal

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