50 Shades of Hetze – Die neudeutsche Kunst des Diffamierens Für Sie entschlüsselt von einer verwunderten Nicht-Muttersprachlerin

Von Ekaterina Quehl

Als russische Muttersprachlerin, die seit über 17 Jahren in Deutschland lebt, treffe ich im täglichen Informationsfluss nicht mehr allzu viele Wörter, deren Bedeutung mir nicht bekannt ist. Doch seit ca. einem Jahr kommt mir die deutsche Sprache wie verwandelt vor.

Das neue Vokabular ist meistens aus großen Medien zu schöpfen. Doch manchmal durchaus auch von einem Nachbar. In Duden und Wikipedia habe ich auch schon einige Einträge gefunden. Bemerkenswert an den neuen Wortschöpfungen ist, dass sie auch für viele deutsche Muttersprachler neu sind. Und da es so viele sind, habe ich mich dazu entschlossen, sie zusammenzufassen.

Zunächst dachte ich an eine Art Glossar, in dem ich die häufigsten neuen Wörter anführen und deren Bedeutung mit anschaulichen Beispielen aus der deutschen Medienlandschaft erklären würde. Doch gleich zu Anfang habe ich bemerkt, dass es zwar viele neue Wörter für mich gibt, doch sie alle haben schlicht eine einzige Bedeutung.

Von der Besonderheit, dass es in einigen Sprachen für einen Begriff viele Namen gibt, habe ich schon gehört. In einigen Eskimo-Sprachen soll es über hundert Namen für Schnee oder im Arabischen 500 Bezeichnungen für Löwen und sogar 1000 Benennungen für Kamele geben. Selbst im Russischen gibt es diese Besonderheit – etwa im russischen Mat, also in der russischen Schimpfsprache. Sie ist so reich an Begriffen für männliche und weibliche Genitalien, dass für diese ganz offiziell schon viele Wörterbücher geschrieben wurden.

Dennoch war ich verblüfft, dass im Deutschen innerhalb kürzester Zeit so viele neue Wortschöpfungen für einen einzigen Begriff entstehen konnten. Ich spreche von Kritikern und Kritik. Und da es sich in den letzten Monaten überwiegend um Kritiker handelt, die die Angemessenheit der Regierungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie oder die Notwendigkeit der Impfpflicht mit eher weniger erforschten Impfstoffen infrage stellen, sind diese neuen Wörter entsprechend konnotiert.

Hier sind nur einige, um die ich meinen passiven Wortschatz im Laufe der letzten 18 Monate erweitern musste.

Corona-Leugner
Corona-Schwurbler
Covidioten
Corona-Rebellen
Corona-Verharmloser
Corona-Schwindler
Coronazi
Pandemie-Leugner
Covid-Leugner
Corona-Egoist
Virus-Leugner
Verschwörungsgläubiger
Verschwörungserzähler
Verschwörungsideologe
Rechte Verschwörer
Impfmuffel
Impfverweigerer
Impfgegner
Aluhut
Schwurbler
Nazi-Schwurbler
Schwurbel-Journalist
Quarantäne-Verweigerer
Quarantäne-Brecher
Quarantäne-Koller
Masken-Verweigerer
Masken-Gegner
Masken-Muffel
Masken-Trottel
Corona-Mythen
Corona-Fake
Corona-Lügen
Corona-Party
Schwurbel-Demo
Aluhüte-Demo
Verschwörungsnachrichten
Corona-Verschwörungsmythen

Wenn ich diese Liste anschaue, so wäre mir jedes russische Mat-Wörterbuch viel lieber. Und ich bin unheimlich froh, dass ich die deutsche Sprache schon kann. Und dass ich sie mit „Tod in Venedig“ und „Die Leiden des jungen Werther“ lernen durfte, statt mit solchen bizarren Bezeichnungen, die soweit vom Ausdruck dessen entfernt sind, was eigentlich gemeint ist, dass sie einfach nur die Beleidigung jeder Vernunft darstellen.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
Namentlich gekennzeichnete Beiträge von anderen Autoren geben immer deren Meinung wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
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Ekaterina Quehl ist gebürtige St. Petersburgerin, russische Jüdin, und lebt seit über 16 Jahren in Berlin. Pioniergruß, Schuluniform und Samisdat-Bücher gehörten zu ihrem Leben wie Perestroika und Lebensmittelmarken. Ihre Affinität zur deutschen Sprache hat sie bereits als Schulkind entwickelt. Aus dieser heraus weigert sie sich hartnäckig, zu gendern. Mit 27 kam sie nach einem abgeschlossenen Informatik-Studium aus privaten Gründen nach Berlin und arbeitete nach ihrem zweiten Studienabschluss viele Jahre als Übersetzerin, aber auch als Grafik-Designerin. Mittlerweile arbeitet sie für reitschuster.de und studiert nebenberuflich Design und Journalismus.

Bild: Marijus Auruskevicius/Shutterstock
Text: eq
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