Mutiger Fahrgast überwältigt Axt-Frau im Zug Degeneration einer Gesellschaft?

Von Kai Rebmann

„Eine 25-jährige Frau hat im Laufe des Samstags (22. April) für einen größeren Polizeieinsatz am Bahnhof in Wilferdingen gesorgt, als sie im Zug ein Multitool mit einer Axt hervorgezogen hat. Ein couragierter Reisender schritt ein, bevor etwas passierte.“ So beginnt eine Pressemeldung der Bundespolizeiinspektion Karlsruhe vom vergangenen Wochenende. Demnach befanden sich an dem im Enzkreis gelegenen Bahnhof mehrere Streifen von Landes- und Bundespolizei sowie die Besatzung eines Rettungswagens im Einsatz.

Als wäre es nicht schon verstörend genug, dass man sich aufgrund sich häufender Vorfälle dieser Art inzwischen offenbar nicht einmal mehr in einem Regionalzug in der badischen Provinz sicher fühlen kann, sorgt das Motiv der Angreiferin für noch mehr Fassungslosigkeit. Dieses sei zwar noch „unklar“, wie die Polizei mitteilt, die die Dynamik, welche zu der Situation führte, aber wie folgt beschreibt: „Da sich die Frau nicht aus dem Türbereich entfernte, blockierte sie die Abfahrt des GoAhead Zuges19679 auf dem Weg nach Stuttgart. Mehrere Reisende wiesen die 25-jährige deutsche Staatsangehörige an, den Bereich freizumachen.“

Die Polizei und die Frage nach Nationalitäten und Vornamen

Stattdessen zog die Angesprochene unvermittelt ein Multitool aus ihrem Rucksack, an dem sich unter anderem eine 18 Zentimeter lange Axt befand und ging mit dieser auf ihre Mitreisenden los. Und wie gesagt, es handelte sich um eine Deutsche, wie die Polizei in ihrer Mitteilung nicht zu betonen vergaß. Das überrascht, denn schließlich soll die Nennung von Nationalitäten in solchen Kontexten ebenso wenig eine Rolle spielen wie die Preisgabe von Vornamen. So war und ist es jedenfalls nicht selten zu hören, wenn mutmaßliche Täter nicht ins „richtige“ politische Bild passen. Man wird bei ähnlichen Meldungen in Zukunft aber umso genauer darauf achten, wie Polizei und vor allem auch die Medien mit der Nennung der angeblich belanglosen Nationalitäten umgehen werden.

Für das immer weiter abnehmende Sicherheitsempfinden im ÖPNV ist die Nationalität von Messer-Männern und Axt-Frauen aber tatsächlich zweit- bis drittrangig. Denn die Polizei informiert weiter: „Noch bevor die 25-jährige eine Handlung mit der Axt vollziehen konnte, gelang es einem 25-jährigen Mann aus der Schweiz, die Frau zu entwaffnen. Ihm gelang es auch, die Frau bis zum Eintreffen der Polizei zu fixieren.“ Der Passagier hat sich dabei offenbar eine leichte Verletzung an der Hand zugezogen, die den Angaben zufolge „zunächst jedoch keiner weiteren ärztlichen Versorgung bedurfte.“

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Ein Sprecher der Bundespolizeiinspektion Karlsruhe betonte zudem, dass durch das mutige Eingreifen „möglicherweise Schlimmeres verhindert werden“ konnte. Die Angreiferin sei inzwischen „fachgerechter Hilfe zugeführt“ und in eine psychiatrische Einrichtung gebracht worden. Darüber hinaus sei ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet worden.

Deutschland – eine einzige No-Go-Area?

Dieses Beispiel aus Baden-Württemberg wirft einmal mehr Fragen auf: Was ist nur los in diesem Land? Was treibt eine junge Frau dazu an, eine Gruppe Mitreisender in einem Regionalzug aus nichtigem Anlass heraus mit einer Axt – wenn auch einer im Kleinformat – zu bedrohen? War das schon immer so? Täuscht das Gefühl, dass Meldungen dieser Art erst seit wenigen Jahren in einem erschreckenden Ausmaß zunehmen?

Sogenannte No-Go-Areas kannte man bis vor kurzer Zeit vor allem aus Lateinamerika und den USA. Der große Vorteil: In diesen gemeinhin als besonders gefährlich geltenden Ländern kann man sich weitestgehend unbehelligt bewegen, es gilt lediglich, bestimmte Gegenden zu meiden. Im vermeintlich sicheren Deutschland aber muss man inzwischen fast immer und überall damit rechnen, „zur falschen Zeit am falschen Ort“ zu sein.

Nicht zuletzt deshalb muss an dieser Stelle über diese Tat berichtet werden, auch wenn es glücklicherweise nur beim Versuch geblieben ist – und auch wenn es sich bei der Angreiferin um eine deutsche Staatsangehörige handelt. Man wird vor diesem Hintergrund aber gespannt sein dürfen, ob den Ermittlern nicht doch noch etwas in die Hände fällt, um die bisher offenbar vermutete psychische Erkrankung in eine rechtsextrem motivierte Tat umzumünzen.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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